Kritiker: PID wäre falsches Signal für Behinderte

Kritiker: PID wäre falsches Signal für Behinderte
Kritiker der Präimplantationsdiagnostik (PID) haben für den Fall einer Zulassung von Gentests an Embryonen vor einer verheerenden Signalwirkung für Behinderte gewarnt. Ein Leben mit Krankheit oder Behinderung müsse wertgeschätzt werden, hieß es von Katholiken und Evangelikalen.

In der Debatte werde häufig Behinderung mit Leid gleichgesetzt, kritisierte der Präsident des katholischen Caritas-Verbandes, Peter Neher, am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion in Berlin, die sein Verband gemeinsam mit der Katholischen Akademie ausrichtete. Auch die Leiterin des Berliner Instituts Mensch, Ethik und Wissenschaft, Katrin Grüber, warnte vor der Wirkung auf behinderte Menschen. "Eine Zulassung der PID sendet das Signal der Nicht-Wertschätzung von Leben mit Behinderung", sagte sie. Erfahrungen aus Frankreich zeigten, dass die PID zunächst nur für Hochrisikopaare zugelassen, aber nach und nach ausgeweitet werde.

Die Kölner Medizinethikerin Christiane Woopen und der SPD-Bundestagsabgeordnete René Röspel halten die PID hingegen für klar eingrenzbar. Sie sprachen sich dagegen aus, einen Katalog schwerwiegender Krankheiten aufzustellen, für die die Gentests erlaubt sein sollten. "Das wäre ein Dammbruch, weil es die Gefahr einer qualitativen Ausweitung birgt", sagte Röspel, der am Freitag mit anderen Abgeordneten einen Gesetzentwurf für eine sehr eng begrenzte Zulassung der PID vorstellen will.

Lebenswert oder lebensfähig?

Röspel will die Gentests nur erlauben, wenn das Kind mit hoher Wahrscheinlichkeit während der Schwangerschaft oder im ersten Lebensjahr sterben würde. Das ist in der Regel bei Chromosomen-Anomalien der Fall. Die Eltern müssen eine entsprechende klare genetische Disposition vorweisen. Es gehe dann nicht um die Frage, was lebenswert oder unwert sei, sondern ob der Embryo lebensfähig sei, erläuterte der Bioethik-Experte.

Woopen plädierte für etwas weiter gefasste Grenzen. Wenn Eltern ein hohes Risiko für eine schwerwiegende Erkrankung des Kindes hätten und medizinische Indikationen analog zum Abtreibungsparagrafen 218 vorlägen, also der Gesundheitsschutz der Mutter im Falle einer Schwangerschaft gefährdet sei, solle PID erlaubt werden. Allerdings dürfe das Verfahren nicht für Krankheiten angewendet werden, die erst im fortgeschrittenen Alter ausbrächen, und auch nicht für genetische Krebs-Dispositionen. Es gehe bei der PID nicht darum, ein gesundes Kind zu bekommen, sondern ein Kind, das eine bestimmte Erbkrankheit nicht habe, betonte die Wissenschaftlerin, die dem Deutschen Ethikrat angehört.

Evangelikale Christen fordern Nein zu Embryonentests

Unmittelbar vor Beratungen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über Gentests an Embryonen haben evangelikale Christen jede Aufweichung des Lebensschutzes abgelehnt. Ein bedingungsloses Ja zum menschlichen Leben bedinge ein bedingungsloses Nein zur sogenannten Präimplantationsdiagnostik (PID), appelliert Generalsekretär Hartmut Steeb von der Deutschen Evangelischen Allianz in einem Schreiben an die EKD, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. Denn jede Form der Selektion menschlichen Lebens widerspräche der Würde des Menschen.

Zugleich argumentiert Steeb, Ausnahmeregelungen in Fragen des Lebensschutzes blieben nur kurze Zeit die Ausnahme: "Die Wertschätzung für Menschen, die trotz pränataler Diagnose ja zu einem behinderten Kind gesagt haben und sagen, würde noch weiter abnehmen." In Ländern, in denen die PID zugelassen ist, sei das "Designerkind" nicht weit.

Die EKD hatte sich 2003 für ein PID-Verbot ausgesprochen, der Rat der EKD will die Haltung jedoch auf Initiative Schneiders an diesem Freitag neu diskutieren. Der Ratsvorsitzende und rheinische Präses hält eine Anwendung der PID unter strengen Auflagen für denkbar. Während es innerhalb der evangelischen Kirche unterschiedliche Positionen zu dem Thema gibt, ist die katholische Kirche klar gegen die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik.

"Ja zum Leben, zu Krankheit und Behinderung"

Das Leben eines Menschen beginne mit der Zeugung oder der künstlichen Befruchtung, schreibt der Generalsekretär des Netzwerks evangelikaler Christen und Gemeinschaften. Ab diesem Zeitpunkt könne es nur "ein uneingeschränktes Ja zum Lebensschutz geben, ohne jedes Nein". Gerade Christen und die christliche Gemeinde seien gefordert, gerade in Konfliktfragen das Ja zum Leben, zu Krankheit und Behinderung zu ermöglichen.

Bei der Präimplantationsdiagnostik werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten gentechnisch untersucht. Mit dem Verfahren, das eine Selektion der Embryonen ermöglicht und so die Weitergabe von Krankheiten oder Behinderungen verhindern soll, können aber auch das Geschlecht und weitere Merkmale untersucht werden. Geschädigte Embryonen werden verworfen. Derzeit wird über eine gesetzliche Neuregelung debattiert, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte. Mit einer ersten Befassung im Bundestag wird vor Ostern gerechnet, so dass das Gesetz vor der Sommerpause verabschiedet werden könnte.

epd