Digitalpastor: Am Anfang war der Prompt

Digitalpfarrer Christoph Martsch-Grunau sitzt vor zwei Bildschirmen
epd-bild/Joerg Nielsen
Digitalpastor Christoph Martsch-Grunau bringt sein KI-Wissen deutschlandweit in die Kirchen.
KI in der Kirche
Digitalpastor: Am Anfang war der Prompt
Für Predigten, Gemeindefeste und T-Shirt-Druck: Digitalpfarrer Christoph Martsch-Grunau setzt künstliche Intelligenz im Kirchenalltag ein - und stößt damit in eine Nische vor, die deutschlandweit bislang kaum besetzt ist.

Kirchenmusiker Focko Hinken schaut in einem kirchlichen Seminarraum in Berlin auf eine Leinwand. Zugeschaltet ist der Digitalpfarrer Christoph Martsch-Grunau aus Delmenhorst. "Wahrscheinlich ist er in Wahrheit KI", sagt Hinken und lacht. Martsch-Grunau leitet den Workshop über künstliche Intelligenz. Jetzt schiebt er behäbig seinen Daumen nach oben. Er grinst schief und antwortet abgehackt: "Ich bin nicht nur ein Mensch. Ich bin sogar richtig echt."

Hinken und die zwölf weiteren Mitarbeitenden des Berliner Kirchenkreises im Raum lachen. Nach zweieinhalb Stunden KI-Workshop bezweifelt niemand: Dass sich der evangelische Pastor Martsch-Grunau mit KI auskennt und auch so klingen kann wie sie, liegt allein an seiner menschlichen Intelligenz.

Deutschlandweit fragen Kirchenkreise und Landeskirchen ihn als Berater und Kursleiter zum Thema an. "Ich habe damit offensichtlich eine Nische gefunden, die in der Kirche kaum besetzt ist", sagt er.

KI-Einsatz in der Kirche noch eine Nische

Martsch-Grunau ist in der oldenburgischen Kirche der erste Pastor, der neben der Arbeit in einer Gemeinde in Delmenhorst einen eigenen Stellenanteil als "Digitalpastor" hat. Im Sommer 2022 probierte er einen KI-Bildgenerator aus - noch vor dem Erscheinen von ChatGPT im Dezember 2022. Inzwischen lässt er sich von KI Predigtentwürfe erstellen, Ablaufpläne für den Konfirmandenunterricht und Vorlagen für T-Shirts in der Jugendarbeit.

Wie er ermuntert auch Karl Teille dazu, sich mit der Neuerung zu befassen. "Die Kirche sollte selbst KI einsetzen, um effizienter handeln zu können, aber zugleich genau hinschauen, was KI mit den Menschen in der Gesellschaft macht", sagt Teille, der sich für die hannoversche und größte evangelische Landeskirche in Deutschland mit KI und Ethik beschäftigt. Sein Wunsch: mehr Zusammenarbeit zwischen kirchlichen Institutionen und Experimentierfreude in den Kirchengemeinden. "KI ist Kraft unseres Geistes entstanden, also dürfen wir sie im Vertrauen auf Gott nutzen - wie auch die anderen Möglichkeiten der Digitalisierung", unterstreicht der Informatiker, der früher in leitenden Positionen der Automobilwirtschaft tätig war und regelmäßig KI-bezogene Vorträge und Vorlesungen hält.

Christoph Martsch-Grunau breitet in der Schulung für die Berliner die Arme vor seiner Webcam aus. "Ich habe eine Aufgabe für euch: Wir planen ein Gemeindefest", sagt er. Zuerst hat er den Workshop-Teilnehmenden erklärt, wie KI funktioniert und wie sie sie bedienen. Jetzt stehen viele auf und beugen sich über Tablets und Laptops. In der Videokonferenz erklingt lautes Stimmengewirr. Die Teilnehmenden sollen ein Programm, Werbetexte und Plakate für das Fest entwerfen.

Nicht alle Gruppen sind sofort mit den Ergebnissen zufrieden. "Wer einen Kirchenbubble-Text eingibt, bekommt auch einen Kirchenbubble-Text raus", sagt Gemeindepädagoge Matthias Liebelt, "halt einen vollkommen erwartbaren, langweiligen Text." Gelächter im Raum. Besser sei der Werbetext geworden, als seine Gruppe die KI angewiesen habe, wie der Comedian Torsten Sträter zu antworten.

Die Gruppe von Focko Hinken hat sich Programmvorschläge erzeugen lassen. "Die KI hat uns fabelhafte Ideen gegeben", sagt Hinken. "Wir fanden den Vorschlag besonders schön, die Bastelergebnisse nach dem Gemeindefest im Kirchgarten auszulegen", ergänzt Gemeindepädagogin Sabrina Lehmann.

"Nicht alle müssen KI benutzen"

Christoph Martsch-Grunau wünscht sich von Mitarbeitenden der Kirche vor allem, dass sie KI bewusst einsetzen. "Das mag überraschend klingen, aber ich erwarte nicht, dass wir in der Kirche jetzt alle KI benutzen müssen." Wichtiger sei, dass sich die Kirche mit den ethischen Aspekten der KI beschäftigt und den Menschen Orientierung biete. Er selbst erzeuge zum Beispiel aufgrund des hohen Energieverbrauchs keine Videos mit KI. "Wenn ich etwas nur noch mit KI machen will, sollte ich mich ohnehin fragen, warum ich das überhaupt tue", sagt er.

Gerade Pfarrerinnen und Pfarrer am Berufsanfang beschäftigen sich laut Martsch-Grunau intensiv damit, wie künstliche Intelligenz den Sinn ihrer Arbeit verändert. Die KI könne vor allem seelsorgerliche Gespräche nicht ersetzen. Sie verstehe nicht, wie es jemandem wirklich gehe, und sie könne auch nicht schweigen. In seinem Workshop fasst er seinen Umgang mit KI dann auch nicht mit einem Ratschlag von ChatGPT zusammen, sondern mit der aktuellen Jahreslosung aus der Bibel: "Prüft alles, das Gute behaltet."