Schaffen Sie das Bürgergeld-Bingo?

Armut
Schaffen Sie das Bürgergeld-Bingo?
Mehrere Sozialverbände haben einen Rechner online gestellt, mit dem Sie die eigenen Ausgaben prüfen können.

„Ach, die leben doch alle nur von unserem Geld!“ „Die sind doch nur faul!“ „Sollen sie doch lieber arbeiten!“ Solche und ähnliche Äußerungen hört man beim Thema Bürgergeld sehr häufig. Natürlich gibt es einzelne, die sich lieber vom Staat „durchfüttern“ lassen. Schwarze Schafe gibt es überall. Aber die allergrößte Mehrheit der Bürgergeld-Empfänger*innen hat gar keine andere Wahl. Zum Teil sind es Jugendliche, viele sind langzeiterkrankt und können nicht arbeiten. Ich finde ja: Ein Sozialstaat sollte seinen Bürgerinnen und Bürgern ein Leben in Würde ermöglichen, auch wenn sie krank und nicht arbeitsfähig sind. (Zu dem Anteil von ausländischen Mitmenschen hat Correctiv eine gute Übersicht gemacht.)

Leben in Würde? Oder gar Leben in Saus und Braus auf Kosten des Staates? Probieren Sie es doch einfach mal selbst aus, wie weit Sie mit den Bürgergeld-Zahlungen kommen würden. Dazu haben mehrere Sozialverbände ein „Bürgergeld-Bingo“ online gestellt. In mehreren Bereichen können Sie selbst einschätzen, wie viel Sie dafür im Monat ausgeben müssten. Aber seien Sie ehrlich zu sich selbst: Ich habe bei Lebensmittel erst mal 150 € eingetragen, es ist auch nicht ganz leicht, das abzuschätzen, wenn man Teil einer Familie ist und nicht nur für sich selbst einkauft. Damit würde ich vermutlich nicht weit kommen, das wären ja nur 5 € am Tag für alles. Allein unser letztes Mittagessen kostete etwa 6 € pro Person, da war noch kein Brot, keine Milch, keine Getränke, kein frisches Obst oder irgendwas für den Tag dabei. Mit ehrlichen Werten wird es ganz schön schwierig. Wie viel sollten Sie für einen neuen Computer, ein neues Handy oder eine neue Waschmaschine im Monat zur Seite legen? Kann ja jederzeit kaputtgehen. Wie viel brauchen Sie für Alkohol und eventuell Zigaretten? Was geben Sie für Bildung aus, für Bücher, für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, für Mobilität?

Wenn Sie dann für alle Bereiche Ihre Selbsteinschätzung eingetragen haben, heißt es „Bingo“ – und Sie können sich mit den tatsächlichen Werten aus dem Bürgergeld vergleichen.

Ehrlich: Ich bin nur mit Mogeln über die Ziellinie gekommen. 563 Euro klingt viel, wenn eine Familie ein Mehrfaches davon bekommt. Aber in Wirklichkeit, da sind sich die Sozialverbände einig, ist es für ein menschenwürdiges Leben zu wenig.

Und die „riesige“ Erhöhung zum 1. Januar 2024? Die ist mehr oder weniger gesetzlich festgelegt. Auch die, die jetzt so sehr dagegen wettern, hätten es kaum anders machen können, denn das Bürgergeld folgt der Inflation. Mit einer großen zeitlichen Verzögerung, die viele Haushalte in finanzielle Nöte gebracht hat, denn gerade ärmere Haushalte haben ja keinen Puffer, um steigende Lebensmittelpreise aufzufangen, indem sie beispielsweise günstigeren Urlaub machen.

Diakonie Deutschland, Evangelischer Verband Kirche Wirtschaft Arbeitswelt (KWA), Armutsnetzwerk e.V. und Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (kda) schreiben dazu: „Auch die letzte Erhöhung des Bürgergeldes von 502 auf 563 Euro zum 1. Januar 2024 hat die grundlegenden Bedarfslücken nicht geschlossen, sondern lediglich einen Teil der Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre ausgeglichen.“ Sie fordern eine grundlegende Neuberechnung des Bürgergelds.

Ich fürchte ja, dass auch dieses Bürgergeld-Bingo nicht zur Versachlichung der Diskussion beitragen wird, dazu ist die Stimmung viel zu aufgeheizt. Sicher wird es auch über diesen Beitrag entsprechende Kommentare in den sozialen Netzwerken geben. Aber ich würde mir wünschen, dass gerade wir Christinnen und Christen zuallererst an die Menschen denken. Ihnen freundlich und positiv begegnen. Versuchen, zu helfen, statt gleich alle der Faulheit zu bezichtigen. Ich würde mir wünschen, dass wir sie als Menschen ansehen, deren Würde unantastbar ist.

Ein Land, in dem auch die Ärmsten gut leben und an der Gesellschaft teilhaben können: Das wäre, denke ich, ein wahrhaft christliches Land.

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