"Theologisch hat es Schwächen, weil es ist nicht von mir"

"christliche" Diskussionen
"Theologisch hat es Schwächen, weil es ist nicht von mir"
Wie wir über Glaubens-Events reden – am Beispiel von "Die Passion" auf RTL

Gestern abend lief es: Das große TV-Live-Spektakel im privaten Fernsehen. Mit Thomas Gottschalk, Außenwette, äh, Gesang, mit großem Staraufgebot und Tausenden von Zuschauern vor Ort und Millionen an den Fernsehbildschirmen. Über Inhalt, Inszenierung und all das brauche ich hier nicht viel zu schreiben – das haben andere schon getan.

Ich finde es viel interessanter, darauf zu schauen, wie Christinnen und Christen, insbesondere die „kirchlich eng verbundenen“, darauf reagiert haben. Naturgemäß reichte auch da die Spannbreite von „Isch abe gar kein Privatfernsehen“ und größtmöglicher Verachtung oder „Blasphemie“-Rufen bis hin zu echter Begeisterung. Auch Hinweise auf die einzig wahre Johannespassion von Bach fand ich im Netz. Twitter wäre nicht Twitter, wenn es nicht seinen Spott mit allem möglichen triebe. Das war teilweise tatsächlich recht lustig, manchmal auch verletzend, oft irritierend. Wie Twitter halt so ist.

Einen Satz las ich immer wieder, insbesondere von denen, die gewissermaßen einen theologischen Ruf zu verlieren haben. Also Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch manche andere. In diversen Abwandlungen las ich da: „Ich finde es eigentlich ganz gut, auch wenn es diverse theologische Schwächen hat“. Worin diese Schwächen bestehen – das wird meistens wohlweislich nicht verraten. Das scheint mir ein Muster zu sein, das wir „Profis“ gerne anwenden. Ich versuche mal, den Satz zu übersetzen:

„Eigentlich hat mir die Sache ganz gut gefallen, aber irgendwie hab ich ein blödes Gefühl. Wenn ich jetzt einfach nur sage, dass es toll war, kommt bestimmt jemand daher und pflückt die theologischen Aussagen auseinander und dann steh ich blöd da, weil ich das nicht gemerkt habe. Und außerdem ist es nicht von mir, kann also gar nicht hundertprozentig korrekt sein.“

Wie gesagt, nur so ein Gefühl. Psychologisch ist das natürlich nicht ganz sauber ausgedrückt, also, ähm, Sie wissen schon.

Ja, auch mir ging es so, dass ich an manchen Stellen nicht ganz mit konnte. Andere fand ich super. Die Liedauswahl zum großen Teil sehr treffsicher (wenn auch mit Ausnahmen). Die Analogien bis hin zur Currywurstbude gut gewählt. Und den Umgang mit Kreuzigungs- und Auferstehungsszene fand ich ausgesprochen gelungen.

Vielleicht müssen wir auch mal anerkennen, dass sich hier Menschen mit ungeheurem Aufwand mit der Geschichte Jesu und mit seiner Botschaft beschäftigt haben. Selbst wenn mir manche Aussage im einzelnen nicht so gefallen mag: Das allein ist doch schon eine ganz wunderbare Botschaft! Menschen denken über Jesus nach. Und sie erzählen anderen davon. Vielleicht kommen sie in manchen Details zu anderen Antworten als ich. Vielleicht haben sie auch andere Fragen.

RTL hat genau das gemacht, was wir Pfarrerinnen und Pfarrer doch ständig versuchen und woran wir, zugegeben, manchmal auch scheitern: Die Botschaft von Jesus in unsere Zeit übertragen. Sie so erzählen, dass sie für die Menschen heute greifbar wird. Da möchte ich nicht im Detail kritisieren, welches Wort falsch gewählt war, welche Grundaussage des Glaubens zu kurz kam. Ich freue mich einfach, dass diese Erzählung dazu geführt hat, dass sich viele, ja Millionen, mit Jesus und seiner Botschaft neu auseinandersetzen. Dass sie, insbesondere von den Kreuträger*innen, auch persönliche Glaubenszeugnisse hörten (auch wenn mir da .. ach, nein, lassen wir das.)

Den Rest macht dann schon der Heilige Geist. Hoffe ich jedenfalls. Von dem habe ich gestern eine Menge gespürt. Auch wenn er manchmal nicht die Worte wählte, die ich ... ach, egal. Ich wünsche Ihnen viele geistdurchwirkte, inspirierende Erlebnisse in dieser Karwoche und an Ostern!

weitere Blogs

Ein mysteriöser Todesfall, das Mauern der Einheimischen und eine latente Homophobie begegnen einer lesbischen Pastorin bei ihrer Ankunft in einer ostdeutschen Kleinstadt. Aus der Großstadt bringt sie zudem ihre persönlichen Konflikte mit. Beste Zutaten für den Debütroman „In Hinterräumen“ von Katharina Scholz.
Nach 15.000 Kilometern und fünf Monaten ist Leonies Reise vorbei. Was bleibt? In ihrem letzten Blogbeitrag schaut sie auf ihre Erfahrungen zurück.

Vom Versuch nicht zu hassen. Biografische Streiflichter von gestern, das irgendwie auch heute ist.