#Jesuslacht

Glauben und Humor
#Jesuslacht
Die uralte Frage kommt auch angesichts der beklemmenden Weltlage immer wieder auf: Hat Jesus gelacht?

Vor einiger Zeit habe ich Podcast-Hören für mich entdeckt. Ja, ich weiß, Spätzünder und so. Aber früher hatte ich auch keinen Hund, der mich zu ausgedehnten Spaziergängen animierte (ok, meistens geht das mit dem Animieren andersrum, der faule Hund will nach 100 Metern schon wieder heim) und mir so Zeit verschaffte, langen und interessanten Audiobeiträgen zu lauschen.

Wie nun wiederum der Podcast „Freiheit deluxe“ des Hessischen Rundfunks mit Jagoda Marinićin meine Abo-Auswahl geriet, kann ich selbst nicht mehr sagen. Jedenfalls gab es letzten Monat eine sehr hörenswerte Folge mit Micky Beisenherz unter dem vielsagenden Titel „Humor – ein freudloses Kackthema?“

Nach einer langen Diskussion über Humor und die damit verbundenen Schwierigkeiten kam Jagoda Marinić auf einmal mit der Bemerkung: „Weißt du, wer nie gelacht hat?“ - und lieferte die Antwort gleich nach: Christus.

Hm. Keine Ahnung, wie sie darauf kommt. Vielleicht hat sie grade mal wieder „Der Name der Rose“ geguckt oder gelesen. Im Mittelalter war das wohl ein wichtiges Thema: Hat Jesus jemals gelacht?

An sich durchaus eine weise Fragestellung. Kann der Retter der Welt, der – so die christliche Überzeugung – alle Schuld auf sich geladen hat, eigentlich noch gelacht haben? Oder muss er nicht angesichts all des Leids, all der Schuld, all der Konflikte nicht völlig jeden Humor, jede Fröhlichkeit verloren haben?

Manchmal ist Lachen ja auch wirklich unpassend; Kanzlerkandidat Armin Laschet hat das bei einer Gedenkstunde für die Flutopfer schmerzlich erfahren müssen und wurde unter dem Hashtag #laschetlacht innerhalb kürzester Zeit zum Trendsetter auf Twitter. Und wäre es nicht tatsächlich ebenso unpassend für Jesus gewesen? Wäre Lachen und Humor nicht absolut daneben angesichts des Zustands unserer Welt? Würde auch #Jesuslacht trenden und würden Menschen sagen: „So unpassend, wie der sich verhalten hat, kann der nicht der Retter der Welt sein“? #NotmyChristus?

Gerade in diesen Tagen, in denen wir nun die Entwicklung in Afghanistan erschüttert verfolgen, wenige Tage nach dem bedrückenden Bericht des Weltklimarats, während in so vielen Ländern die Wälder brennen und anderswo die Fluten alles wegspülen, während in Haiti die Erde bebt und ein Tropensturm den Rest erledigt: Wem ist da schon noch zum Lachen zumute?

Das mag jetzt ziemlich pathetisch klingen, aber: Wenn wir an Jesus glauben, dann sind wir erlöst. Dann haben wir zumindest die Hoffnung: Selbst der Tod ist nicht das Ende. Wir werden wohl trotzdem nicht unbedingt fröhlich scherzend auf eine Trauerfeier gehen, obwohl das in manchen Kulturen üblich ist. Wir werden trotzdem entsetzt sein und auch weinen über all das Leid, das wir sehen und erleben. Wir werden hoffentlich auch alles in unserer Macht stehende tun, um Leid zu lindern, Trauernde zu trösten, Menschen Heimat zu geben. Aber: Es ist nicht das Letzte. Es ist nicht das, was unser Leben, unser Wesen endgültig bestimmt.

Hanns-Dieter Hüsch hat es in seinem wunderbaren Gedicht zum Ausdruck gebracht: „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit: Gott nahm in seine Hände meine Zeit.“ Und er redet in diesem Gedicht sehr wohl auch von den schweren Seiten, von der Traurigkeit. Vom Elend und der Zärtlichkeit.

Zurück zu Jesus. Ob er wohl gelacht hat? Zumindest war er auf einer Hochzeitsfeier und hat dafür gesorgt, dass die Gäste wieder Wein bekommen. Er ist beim Zöllner Zachäus eingekehrt und bei vielen anderen. „Fresser und Weinsäufer“, so wurde er manchmal genannt. Oh, ich denke: Er hat das Leben sehr wohl genossen. Und ja, ganz bestimmt hat er auch gelacht und Blödsinn gemacht. Was wäre das für ein Gott, bei dem es nichts zu lachen gäbe? Was wäre das für ein irdisches Leben ohne Lachen, ohne Humor?

Die Unterhaltung zwischen Jagoda Marinić und Micky Beisenherz spinnt sich weiter: „In der Bibel wird doch sowieso komplett nicht gelacht. Da wird nie gelacht! Kein bisschen! Dafür hat er dann doch noch vergleichsweise viele Fans gehabt, oder?“

Lieber Micky Beisenherz – das stimmt nun aber mal komplett nicht. Im Gegenteil. Der Psalm 126, der von der Erlösung aus der babylonischen Gefangenschaft schreibt, redet von der fröhlichen Zeit, die einst kommen wird: „Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein.“ Und nein, damit ist nicht das Jenseits gemeint, sondern eine ganz irdische Welt in – Achtung, passend zum Podcast-Titel! – Freiheit und Selbstbestimmung.

Ich habe jetzt mal ganz profan meine elektronische Bibel nach dem Wort „Lachen“ durchsucht. Abgesehen von einmal „Teiche und Lachen“, die ich jetzt eher nicht gemeint hatte, habe ich doch etliche Stellen gefunden. In manchen geht es eher ums auslachen, etwa von Feinden. Aber immer noch gibt es viele Stellen, die vom befreiten Lachen reden.

Vergnügt, erlöst, befreit. Und trotzdem mit-leidend mit den Menschen um mich herum, mit allem, was mich umgibt. Voller Hingabe und Empathie und voller fröhlicher Hoffnung. So, finde ich, sollte unser Leben als Christinnen und Christen sein. Und wenn das Bild der Kirche nach außen so ist, dass Leute sagen: „In der Bibel wurde nie gelacht!“ – dann haben wir, meine ich, etwas falsch gemacht. Dann haben wir das Fröhliche, Befreiende unseres Glaubens viel zu wenig nach außen getragen.

Für mich jedenfalls ist das auch alles andere als eine Vertröstung aufs Jenseits. Es ist durchaus ein gewichtiger Vorwurf an den christlichen Glauben, den Micky Beisenherz da formuliert:

„Denn da, wo sich alle nach Erlösung sehnen – Da ist Humor auch gar nicht von Nöten. Du musst ihnen nur alternativ zum Lachen das Heil versprechen. So, weil Humor ist ja Notwehr. So. Und bedeutet ja automatisch es wird sich wahrscheinlich die Situation nicht dramatisch verändern.“

Da habe ich schon mal ein anderes Verständnis von Humor. Humor ist für mich sehr viel mehr als Notwehr. Gemeinsames Lachen ist etwas, das Menschen verbindet und zusammenschweißt – genau so wie Essen, Trinken, Weinen. Lachen ist etwas, das Gemeinschaft fördert und Lebensfreude gibt. Humor als Notwehr – das ist mir, ehrlich gesagt, viel zu wenig für mein Leben auf dieser Welt. Genauso wie Glauben als Vertröstung auf ein Jenseits mir zu wenig ist. Ja, ich glaube, dass es ein Jenseits gibt. Dass dort alles irgendwie gut sein wird. Aber das bedeutet gerade nicht, dass ich hier in diesem Leben die Hände in den Schoß lege und alle Trauer aus Notwehr oder Verdrängung weglache. Nein, es bedeutet, dass ich versuche, hier auf dieser Erde für möglichst viele Menschen diesem ersehnten Friedenszustand möglichst nahe zu kommen. Mitten im Leid, mitten in der Traurigkeit, Hoffnungsschimmer zu pflanzen. So wie Luther seinen berühmten Apfelbaum am Tag vorm Weltuntergang.

 

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