Kirchenväterliche Hassrede

Kirchenväterliche Hassrede
Facebook löscht Augustinus. Verstehen kann es niemand.

Bereits aus dem Juli letzten Jahres stammt eine sehr seltsame Meldung: Facebook löschte offenbar immer wieder ein Zitat des berühmten Kirchenvaters Augustinus mit der Begründung, es sei „Hassrede“. Nun ist es ja durchaus gut, dass Facebook durchgreift und wenigstens einige der schlimmsten Sprüche löscht. Doch die Kriterien, was zu löschen ist und was nicht, scheinen angesichts dieses Textes und mancher anderer, deutlich hasserfüllter Posts auf Facebook doch sehr fragwürdig. Lesen Sie selbst:

„Lasst uns niemals annehmen, dass unser Leben ohne Sünde sein wird, wenn wir ein gutes Leben führen; unser Leben soll nur gelobt werden, wenn wir ständig um Vergebung bitten. Die Menschen aber sind Verzweifelte und je weniger sie auf ihre eigenen Sünden schauen, um so mehr interessieren sie sich für die Sünden anderer. Sie wollen kritisieren, nicht korrigieren. Unfähig, selbst um Verzeihung zu bitten, sind sie bereit, andere anzuklagen.“ (Sermo 19,2)

Hier geht es ja eigentlich gerade darum, nicht auf andere zu zeigen, sondern erst einmal für die eigenen Sünden um Vergebung zu bitten. Doch genau dieser Text (auf Englisch) wurde immer wieder gelöscht – bei mehreren Personen, die das ausprobierten.

Bruder Matt Wescott versuchte es anders: Er teilte die Entscheidung, die ihm von Facebook mitgeteilt wurde, wiederum auf Facebook. Und, natürlich: Auch diese Nachricht wurde umgehend gesperrt. Schließlich wurde ihm sogar angedroht, sein Konto komplett zu sperren. Auch auf nochmalige Nachfrage bestand Facebook darauf, dass dieser Text „Hatespeech“ sei.

Letztlich aber, nach langem Hin und Her, hatte irgend jemand im Facebook-Team wohl doch ein Einsehen. Denn der Text ist ja das genaue Gegenteil von „Hatespeech“. Die gesperrten Posts bei mehreren Personen wurden plötzlich wieder freigeschaltet. Augustinus ist auf Facebook wieder erlaubt.

Auch, wenn das nun mit diesem Text wieder möglich ist: Für mich hinterlässt dieser Vorgang einen sehr schalen Geschmack. Wie sehr begeben wir uns in die Hände eines einzigen, großen Anbieters, der neben Facebook selbst auch noch WhatsApp und Instagram besitzt? Was passiert, wenn er meinen Account abschaltet, weil ihm irgendwas nicht passt? Können wir wieder neue, andere Kommunikationswege finden? Viele Versuche gab es – Diaspora, Ello, Google+ und was weiß ich noch alles. Doch die Menschen sind eben hier. 

Und auf der anderen Seite: Wie kann ein derart großer Anbieter wie Facebook tatsächlich noch wirksam Hatespeech unterbinden und gleichzeitig halbwegs sicher solche „false positives“ ausschließen? 

Wie können wir insgesamt wieder zu einer menschenfreundlicheren Diskussionskultur kommen, in der nicht ständig nur die provokativsten Posts hochgepusht werden?

Manche haben inzwischen von Facebook die Nase voll und wenden sich völlig davon ab. Doch das halte ich für falsch. Trotzdem: Unsere Kommunikation muss sich verändern. Und vielleicht muss sie auch wieder vielfältiger werden. Ich weiß es nicht so genau.
Mich finden Sie jedenfalls weiterhin auf Facebook, Twitter, Diaspora, MeWe und Instagram. Mal sehen, wie es weitergeht. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es dort freundlicher zugeht und der Hass nicht die Oberhand gewinnt. Das scheint mir der erfolgversprechendere Weg zu sein, als dass Algorithmen für uns die Hass-Nachrichten ausfiltern. Bis bald!

 

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