Vollautomatisch gesegnet

Vollautomatisch gesegnet
Foto: EKHN
BlessU-2 ist der erste segnende Roboter – und wirft interessante theologische Fragen auf.

Die Meldung macht gerade in diversen Medien ihre Runde: Die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau präsentierte für die Ende Mai beginnende Weltausstellung der Reformation in Wittenberg BlessU-2, den ersten segnenden Roboter. Größe: 1,80 Meter. Besondere Merkmale: Touchscreen auf der Brust. Er segnet wahlweise in verschiedenen Sprachen inklusive Hessisch, mit Männer- oder Frauenstimme, hat ein Repertoire von mehreren unterschiedlichen Segenssprüchen und druckt den Spruch zur Erinnerung auch noch aus. Dabei wird der Segensspruch nicht von einer Software synthetisch gesprochen. Ganz bewusst wurden diese Texte von realen Menschen eingesprochen, so dass es sich eigentlich nur um eine Art zeitversetzter Segnung handelt.

Das Video unten im Text zeigt eine erste Version des Roboters, die noch nicht die richtigen Stimmen hat. Und so soll er sich anhören, wenn er fertig programmiert ist:

Was für ein Quatsch! - So dürften wohl die meisten auf diese „provozierende Installation“ reagieren. Will die Kirche nun unbedingt beweisen, dass auch der Beruf des Pfarrers in absehbarer Zeit durch Maschinen ersetzt werden kann? Bisher durften wir uns da ja relativ sicher wähnen. Doch nun? Wird es in Zukunft in jeder Kirche einen BlessU-2, einen SermonU-2 und einen PrayU-2 geben? In einer Übergangszeit mag noch ein Mensch die Predigt schreiben, die die Roboter dann zentral gesteuert in jedem kleinen Dörfchen von sich geben, egal, ob da ein altes Mütterchen sitzt oder das Gotteshaus rappelvoll ist. Später jedoch werden Maschinen die Predigtlehre besser beherrschen als jeder Mensch aus Fleisch und Blut. Rhetorik, Homiletik, Theologie: Alles beherrschbar, alles durch Algorithmen zu steuern. In einer dritten Phase werden dann auch die Gottesdienstbesucherinnen und Besucher durch Roboter ersetzt, weil eh kein Mensch mehr kommt. Du meine Güte, schalt mich ab. Maschinen bepredigen Maschinen.

Nein, so weit sind wir noch lange nicht. Heute geht es um eine ganz existentielle Frage, und die finde ich durch BlessU-2 ausgesprochen intelligent auf den Punkt gebracht: Was ist Segen? Wie wirkt er? Ist ein Segensspruch, den wir in der Bibel lesen, „wirksam“? Ist er genauso wirksam, wenn wir ihn in einer elektronischen Bibel lesen, etwa der Lutherbibel-App? Ist es ein Segen, den Sie im Internet lesen, sagen wir: in einer Online-Andacht wie der Twomplet, dem allabendlichen Twitter-Gebet? Ist ein von einem Atheisten vorgelesener Segen wirksam? Oder ein im Fernsehen zeitversetzt gesendeter Segen, der sich ja praktisch nicht von dem aufgenommenen und vom Roboter wiedergegebenen Segen unterscheidet? Wirkt der segnende Pfarrer, die Pfarrerin den Segen? Jeder segnende Mensch? Oder wirkt Gott durch ihn oder sie? Kann Gott nur durch Menschen segnend wirken oder durch jedes beliebige Medium?

Oder ist Segen einfach dann wirkungsvoll, wenn ich als Empfangender es so empfinde? Was bedeutet es, wenn ein Roboter einen Atheisten segnet und der sich davon seltsam berührt und beschwingt fühlt?

Ich gebe zu: Auch meine erste Reaktion auf den Segensroboter war „so ein Quatsch“. Ich weiß auch nicht, ob ich mich wirklich gesegnet fühlen würde, stünde diese Maschine vor mir. Aber die Frage ist, auf Umwegen, gut gestellt: Was trauen wir Gott eigentlich zu? Trauen wir es ihm zu, dass sein Segen durch jedes Medium wirken kann?

Was bedeutet Segen für Sie? Provozierende Gedanken, über die es sich lohnt nachzudenken. Gott segne Sie dabei. Amen.

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