Fußballfankirche extrem

Fußballfankirche extrem
Im Ostalbkreis zeigt eine Kirche derzeit eine ganz besondere Nähe zur deutschen Nationalmannschaft. Allerdings aus einem recht profanen Grund ...

In diesen Tagen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass irgend ein Event mit nationalem Charakter im Gange ist. Überall sind Nationalflaggen zu sehen. Gestern erst fuhr ich hinter einem Auto her, das kaum noch als solches zu erkennen war: Rechts und links jeweils vier bis fünf der üblichen Ansteckfahnen, schwarz-rot-goldene Überzüge über den Rückspiegeln, eine Fahne im Rückfenster, eine aus dem Kofferraum herausflatternd, außerdem hinten eine Reihe Wimpel irgendwie ums Auto herumgespannt. Also, schneller als 50 würde ich mit dem Ding ja nicht fahren wollen. Nun ja, man kann's auch übertreiben.

Den Vogel abgeschossen hat allerdings ganz eindeutig die Kirche in Neresheim-Schweindorf, einem kleinen Ort im Ostalbkreis. Die ist so vollständig in schwarz-rot-goldene Fahnen eingehüllt, dass man sie überhaupt nicht mehr betreten kann. Nun ja, das hat auch durchaus seinen Sinn: Es handelt sich gar nicht um eine besondere Fanaktion, sondern ganz profan um eine Wärmebehandlung gegen Holzwürmer, denn die gesamte Kirche aus dem 14. Jahrhundert leidet unter diesem Befall. Die durchaus kreative Behandlungsmethode mit Wespen scheint in diesem Fall nicht in Betracht gezogen worden zu sein. Ob nun nur die deutsche Holzwurm-Nationalmannschaft von dieser Wärmebehandlung betroffen ist, konnte die Redaktion leider nicht in Erfahrung bringen. Ebenso nicht, warum die Folie eigentlich in Deutschlandfarben koloriert ist und nicht einfach einheitlich grau.

Manche Menschen mit einem Geschichtsbewusstsein, das mehr als fünf Minuten zurückblickt, werden vielleicht auch ein wenig unangenehm berührt sein ob dieses Zusammenspiels von Kirche und Nationalstaat. Fahnen an der Kirche hatten wir schon mal, war nicht so richtig gut, gelinde gesagt. Auf der anderen Seite müssen wir auch wirklich sagen: Die Situation heute ist zum Glück eine ganz andere. Und es geht doch lediglich darum, die eigene Sympathie für die Fußball-Nationalmannschaft auszudrücken. Ja, ich glaube, so eine Aktion darf schon mal sein.

Wäre natürlich eine super Kulisse für ein Public Viewing am Samstag zum Viertelfinalspiel gegen Italien. Leider kann die Folie übers Wochenende nicht dran bleiben – sie wird laut Meldung des SWR schon am Montag woanders gebraucht. Vermutlich fürs Halbfinale. Wollen wir's mal hoffen. Umgefärbt auf Italien werden die Folien jedenfalls nicht.

 

weitere Blogs

Ein spätes, unerwartetes Ostererlebnis der besonderen Art
Ein mysteriöser Todesfall, das Mauern der Einheimischen und eine latente Homophobie begegnen einer lesbischen Pastorin bei ihrer Ankunft in einer ostdeutschen Kleinstadt. Aus der Großstadt bringt sie zudem ihre persönlichen Konflikte mit. Beste Zutaten für den Debütroman „In Hinterräumen“ von Katharina Scholz.
Nach 15.000 Kilometern und fünf Monaten ist Leonies Reise vorbei. Was bleibt? In ihrem letzten Blogbeitrag schaut sie auf ihre Erfahrungen zurück.