Nachruf auf eine Kirche

Nachruf auf eine Kirche

Immerath bei Erkelenz, Nordrhein-Westfalen. Ein gar nicht so kleines Dorf, ganz in der Nähe des ehemaligen Wohnorts meiner Schwiegereltern. Ja, ich war da schon manchmal. Eine ziemlich große Kirche haben sie da, „Dom“ nennen sie sie. Sie prägt den Ort durch ihre zwei Türme. St. Lambertus, 1891 fertiggestellt, erbaut mit dem hart ersparten Geld der stolzen Immerather Bauern: In der Kirche war ich noch nicht. Und jetzt kann ich auch sagen: Ich werde nie dort sein.

Die Kirche wird abgerissen, so wie das ganze Dorf. Braunkohletagebau Garzweiler II. Riesige Bagger reißen unvorstellbar große Löcher in den Boden. Alles, damit wir Strom haben. So ein Dorf, so eine Kirche: Die müssen dann schon mal weichen. Es gibt ja dann Neu-Immerath. Lauter neue, schmucke Häuser, die Straßenführung dem alten Dorf nachempfunden, aber irgendwie nicht mehr diese Verbundenheit mit der Heimat. Und auch die neu gebaute Kirche wird moderner sein, kleiner, anders eben. Das Bistum hat die Wiedererrichtung des Doms an neuer Stelle abgelehnt – nur eine Kapelle wird es noch geben. Die Orgel wird in einem anderen Dorf weiterverwendet. Die Glocken? Ein paar kommen mit, doch die großen, die, die den vollen Klang ausmachen, die passen nicht in den neuen Turm.

Jäger und Schnäppchensammler bevölkern nun die Kirche. Bänke, Heiligenfiguren, der Altar – alles muss raus, und es ist ja auch schade um alles, was wirklich keine Verwendung mehr finden sollte. Bald, am 13. Oktober, läuten die Glocken ein letztes Mal. Dann wird sie entwidmet. Abgerissen. Wie das ganze Dorf, zu dem sie gehörte. Damit wir Strom haben. Göttliche Energie, sozusagen.

Was sagt man zu einer Kirche, die es bald nicht mehr gibt? Ruhe in Frieden? Alle die Menschen, die hier waren. Die hier getrauert haben und getraut, getauft, gelacht, geweint. Die sich gesegnet fühlten oder zutiefst gelangweilt. Die als Kunstkenner kamen oder als Suchende im Glauben. Die hier gesungen haben oder geschnarcht. Alles das wird bald nur noch Erinnerung sein. Verweht. Und irgendwann vergessen.

Ruhe in Frieden, Sankt Lambertus.

 

 

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