Innerer Monolog eines Gemeindesbrief-Redakteurs beim Zustammenstellen der neuesten Ausgabe

Innerer Monolog eines Gemeindesbrief-Redakteurs beim Zustammenstellen der neuesten Ausgabe

Eine Seite habe ich gesagt. Herr Pfarrer, habe ich gesagt, ihre Auslegung zum Monatsspruch im letzten Gemeindebrief war wirklich einmalig, doch mit Rücksicht auf die Finanzen demnächst dann doch lieber ein Seite anstatt deren fünf. Das liest doch eh keiner durch. Also das habe ich ihm dann nicht gesagt, aber stimmt doch. Selbst ich pack das einfach so auf die Seite. Ich sehe schon die anklagenden Blicke der anderen Autoren, aber beim Pfarrer kürzen? No go.

Mal schauen was wir sonst noch so haben, vielleicht findet sich ja Material, das erst für die nächste Ausgabe in Frage kommen könnte... Wenn ich bei den Geburstagskindern streiche - keine gute Idee. Wir wollen doch unsere Stammleser über 90 nicht verlieren. Um Gotteswillen. Nein, das geht nicht. Dann können wir die Nachrufe auch nicht rauswerfen.

Hier, hier, hier, das ginge doch: Der Bericht über die Presbytersitzung. Mal schauen - hmm - Bestellung eines Glockensachverständigen, Forderung nach einem offenerem Geist in der Kirche - man möge doch bitte mal die Fenster öffnen. Ja, das könnte gehen. Neigt sowieso zum Schwafeln, der Conrad. Was die Presbyter anbelangt bin ich sowieso bei denen unten durch, nachdem mich mal zarte Kritik an der Dauer der Sitzungen geäußert habe. Anderthalb Stunden ohne Punkt und Komma. Hält doch kein Mensch durch. Und trinken die alle Tee aus ökologischem Anbau in Geschmacksvariante Scheußlich und brühen für mich natürlich nicht extra Kaffee. Wo käme man da auch hin? Nee, nee, können ruhig mal einen Dämpfer vertragen.

A propos Kritik, wo ist eigentlich die Kolumne von Michael hin? Der wollte doch diesmal über die Bauarbeiten am Dach des Gemeindehauses schreiben ... nein, das ist der Artikel vom Kirchenmusiker über die Kunst des sicheren Anblasens der Posaune. Kann ich nicht rauslassen, sonst haben wir wieder Gottesdienste mit Schönbergvorspielen. Wie beim letzten Mal - und da fehlten gerade mal zwei Sätze. Am Schluss.

So, jetzt noch die Schriftgröße auf 8 Punkt, die Photos verkleinern - Pixel oder nicht, ist jetzt auch egal, das Teil muss in den Druck. Und wenn sich jemand beschwert, dann sage ich einfach die sollen sich korrekt an den Abgabetermin halten. Genau. Andere Seiten aufziehen und so. Kann ja nicht sein, dass Texte eine Woche später eintrudeln. Oder zwei. Na, dann ab damit. Werd ich halt in der nächsten Sitzung mir mal wieder anhören müssen, dass der frühere Redakteur ja sooo viel besser war. Vermutlich hat der noch mit Tontafeln gearbeitet....

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