Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 15: Wie gehen wir mit Terror um?

Ihre Fragen, unsere Antworten - Folge 15: Wie gehen wir mit Terror um?
Wie gehen wir mit Terrorismus um? Die Vorratsdatenspeicherung ist jedenfalls nicht die Antwort.

Liebe evangelisch.de-Nutzerinnen und -Nutzer,

es ist ein trauriger Tag der Gewalt: Mindestens 65 Menschen starben bei Anschlägen in Kuwait, Tunesien und in Frankreich. Diese Neuigkeiten dominierten die großen Nachrichtenmedien heute. Einmal mehr stehen wir vor der Frage: Wie sollen wir mit solchem Terror umgehen? Zuletzt waren es die Morde in der Pariser Redaktion des Satire-Blatts "Charlie Hebdo", die uns fassungslos machten. Da ging es neben all dem menschlichen Leid auch noch um Presse- und Meinungsfreiheit, deren Bedrohung Tausende auf die Straße brachte, um zu sagen: "Je suis Charlie". Das wird diesmal nicht so sein.

Vier Terrormeldungen auf der Startseite von Spiegel Online am Freitag, 26.6.2015, 16:45 Uhr

Diesmal ist diese große Frage nicht berührt. Das einzige Grundrecht, in das der Terror diesmal eingreift, ist das allerhöchste: das Recht auf Leben.

Meine erste Reaktion ist: Ich habe diese Terroristen satt. Wir wissen noch nicht sicher, wer hier die Täter waren - zu dem Anschlag in Kuwait bekannte sich die Terrorgruppe IS, in Frankreich war es wohl ein einzelner radikaler Islamist und nach ersten Informationen auch in Tunesien. Aber die ersten Hinweise deuten auf islamistischen Terror. Und wieder gelingt es den radikalen Gewalttätern, sich in die Schlagzeilen zu schießen und zu bomben. Das nervt. Im Falle von islamistischen Terroristen ebenso wie bei dem weißen Rassisten, der in Charleston neun farbige Menschen in einer Kirche erschoss.

Denn die Errungenschaften von weitreichender persönlicher Freiheit und Gleichberechtigung können diese Fanatiker aus demokratischen Gesellschaftsformen nicht wegbomben, und liberales, aufgeklärtes Denken, das es im Christentum ebenso wie im Islam gibt, nicht aus den Köpfen schießen.

Diese Terroristen erzeugen kurzfristiges Leid, aber sie können mittelfristig nicht gewinnen. Dazu ist die Freiheit des Selberdenkens zu verlockend, als dass ihr nicht noch viel mehr Menschen immer wieder und immer mehr verfallen werden, seien es Muslime, Christen oder Atheisten, von Kuwait-City bis Paris.  Die "westliche" Gesellschaftsidee, die dem Individuum Glaubens- und Gewissensfreiheit zusichert, lässt sich mit Gewalt nicht vertreiben. Sie wird dadurch nur in jedem einzelnen Menschen stärker.

Und doch werden jetzt wieder Politiker sagen: Solche schrecklichen Taten können nur durch mehr Sicherheitsmaßnahmen verhindert werden. Solche wie die Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel. Dass dadurch die Unschuldsvermutung ausgehebelt wird, deren Prinzip auch ein friedliches Zusammenleben ohne Vorurteile ermöglicht, machen sie sich offenbar nicht klar. Wenn jeder seine/n Nächste/n als einen potentiellen Kriminellen verdächtigt, vor allem wenn er oder sie anders ist als man selbst, vergiftet das die Luft.

Mit der Vorratsdatenspeicherung hoffen unsere Politiker auf den Vorteil von Aktionismus, auf das Gefühl, dass sie etwas getan haben. Dabei hilft die Vorratsdatenspeicherung - wenn überhaupt! - nur bei der Aufklärung hinterher. Im Moment der Gräueltat hilft auch der längstgespeicherte Telefonanruf sowieso nicht.

Vorbild sein für die Liebe

Terrorismus lässt sich nur bekämpfen, indem man dem Terroristen den Grund für den Terror nimmt. Das ist bei überzeugten Glaubenstätern schwierig - auch die Rechtsterroristen des NSU hatten in Deutschland ein gutes Leben und griffen trotzdem zur Waffe und mordeten. Trotzdem ist es der einzige Weg.

Terroristen erkennen nicht, wie schön und wertvoll das Leben auf dieser Erde ist. Sie stellen ihre Scheuklappen auf und weigern sich, die Menschen um sich herum als gleichwertige Geschöpfe anzuerkennen. Erst wenn man ihnen die Scheuklappen abnimmt, ihre Köpfe befreit, sie lehrt, selbst zu denken und die Schönheit der Menschenliebe zu erkennen, können diese Menschen ihre Erfüllung in etwas anderem finden als der Gewalt. Wir können dafür einfach nur Vorbild sein. (Die Vorratsdatenspeicherung ist übrigens das falsche Werkzeug dafür. Und auch deswegen habe ich diese Terroristen satt.)

Für den Moment bleibt uns nur, für die Opfer und für die Hinterbliebenen zu beten. Welche Worte jeder einzelne von uns dafür findet, ist egal - Hauptsache, sie sind von Trauer und Liebe erfüllt statt die ausgestreute Saat des Hasses noch weiter zu verbreiten.

Ich wünsche euch und Ihnen, dass uns das gelingt!


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