Das iPad hat's geschafft. Es hat die letzten Weihen erhalten. Zwar gab es schon immer mal wieder Kolleginnen und Kollegen, die aus „technischen Gründen“ (Drucker im Streik) notgedrungen ihren Laptop mit auf die Kanzel nahmen und direkt davon ablasen – aber eine komplette katholische Messe auf dem iPad, das habe ich bisher erst von meinem katholischen Kollegen Carsten Leinhäuser gehört. Ist ja eigentlich auch eine sehr praktische Sache. Alle Texte ordentlich abgelegt, gut lesbar, kein Zettelwust wie in so manchen Gottesdienst-Ordnern, die man so Sonntag für Sonntag präsentiert bekommt. Da macht das iPad im Vergleich auch eine gute Figur, es hat Stil, muss ich schon zugeben.
Wie das wohl weitergehen wird? „Liebe Gemeinde, den heutigen Gottesdienstablauf können Sie wie immer mit unserer iPhone- und Android-App verfolgen. Bitte sprechen Sie an den groß gedruckten Stellen mit“ - und alle zücken ihre Handys, iPads, WePads, was auch immer. Bekommen Liedtexte direkt darauf angezeigt. Keine Liedzettel mehr, kein Gekrame im Gesangbuch, nie mehr das Lied endlich genau in dem Moment finden, wenn die Gemeinde schon bei der letzten Strophe angelangt ist. Nur die WindowsMobile-Nutzer müssen leider bis zum Ende des Gottesdienstes warten, bis ihr mobiles Gerät hochgefahren ist (kleiner Scherz am Rande).
Und als Pfarrer? Super, wirklich. Wie oft passiert mir das, dass ein Text an der falschen Stelle eingeheftet ist. Alle Texte sind da, auch alle ausgedruckt, aber in der Eile doch ein wenig durcheinander eingeordnet. Und dann hängt da noch das Gebet von letzter Woche vor dem aktuellen im Ordner – was ich natürlich erst merke, wenn ich mit dem Gebet schon angefangen habe.
Mehr ist mir persönlich zum Glück noch nie passiert, aber ich habe schon von Kolleginnen gehört, die statt der Predigt die letzte Einkaufsliste in ihrem Ordner vorfanden. Oder eine Taufansprache erst einmal mit „liebe Hochzeitsgäste“ begonnen haben, bevor sie ihren Fehler bemerkten. Wie schön, dass es die Technik gibt, die uns alles verlässlich in der richtigen Reihenfolge präsentiert.
Wenn da nicht die Menschen wären. So ein iPad funktioniert mit Strom. Und wie ich mich kenne, würde ich das wohl regelmäßig vergessen, es am Abend vorher ans Ladegerät zu hängen. Ich weiß ganz genau, wie das bei mir ablaufen würde...
„Liebe Gemeinde!“
In diesem Moment geht dem iPad der Saft endgültig aus. Der Bildschirm wird dunkel.
Kurze Pause, um das gute alte Lektionar auf die Kanzel zu holen, in dem wenigstens der Predigttext zu finden ist.
Noch längere Unterbrechung, um wieder Luft zu bekommen und gleichzeitig durch hektisches Blättern den 17. Sonntag nach Trinitatis zu finden.
Lesung des Predigttextes.
Verzweifelte Versuche, sich an die schriftlich festgehaltenen Predigtgedanken zu erinnern, führen zu einer recht abwechslungsreichen, aber auch ein wenig wirren Predigt und einem erleichterten „Amen“.
Ein paar Fürbitten kann man noch so aus dem Ärmel schütteln. Puh, geschafft, nun ist auch mein persönlicher Akku leer.
Vielleicht habe ich ja einmal doch nicht vergessen, den Akku zu laden. Schön. So kann der Gottesdienst ganz beruhigt beginnen. Doch dann – was ist das? Nur eine kleine technische Störung, kann ja mal vorkommen. Fehler im Dateisystem. Datei nicht gefunden. Welch ein Horror:
„Lasst uns beten. Fehler 404 File not found. Herr erbarme dich. Amen.“
Ein wenig verwirrend könnte es auch sein, wenn während des Gottesdienstes auf einmal automatisch neue Tweets oder Mails angezeigt werden. Dann wird die Predigt auf einmal zur Twitterlesung. Sicher auch eine neue Erfahrung. Allerdings könnte man die Idee auch durchaus ausbauen – vielleicht gibt's ja mal eine Twitterpredigt, in der die Leute ihre Anmerkungen live twittern und diese Tweets während der Predigt aufgenommen und kommentiert werden? Aber das ist wohl noch Zukunftsmusik...
Immerhin, zum Glück kann man mit dem iPad nicht telefonieren. Obwohl, das wäre eigentlich doch noch nötig. Schließlich heißt es schon im Psalm 145, Vers 18: Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen.
Amen.