Mit dem Kummerkutter zum Horizont

Workshop für Trauernde
Beim Kummerkutter-Workshop können Menschen auf kreative Art mit Trauer umgehen. Gemeinsam sägen, nähen und bohren und am Ende die Trauer vielleicht loslassen.

Alles fängt mit einem Stück Treibholz an. Die acht Teilnehmenden des Workshops in der Hamburger Apostelkirche nehmen sich Zeit zum Aussuchen. Aus den Holzstücken werden sie kleine Schiffe bauen - sogenannte Kummerkutter. Denn alle hier trauern um einen geliebten Menschen.

"Der Gedanke ist, dass man beim Bootsbau an den geliebten Menschen denkt und das Boot mit dessen Namen versieht", sagt Jan Roßmanek. Der Pastor arbeitet für st. moment, eine Agentur der evangelischen Kirche in Hamburg. Etwa alle drei Monate organisiert er die Kummerkutter-Workshops.

"Wenn es fertig ist, nimmt man das Boot mit nach Hause und dann, wenn man sich bereit fühlt, ist vielleicht irgendwann Zeit, es auf Elbe oder Alster auszusetzen und die Trauer loszulassen", sagt der Theologe. Der Kummerkutter trage die Trauer zum Horizont und dort "glauben und hoffen wir, warten unsere geliebten Menschen".

Mittlerweile gibt es solche Workshops auch bundesweit in anderen Kirchengemeinden. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Atmosphäre ist locker, fast fröhlich. Auch Kinder können mitmachen. Birgitta Schultz und ihr Mann haben ihre kleine Tochter mitgebracht. Die Familie trauert um die große Schwester des Mädchens. "Wir wollten ursprünglich gemeinsam ein Boot bauen, aber als wir das Holz ausgesucht haben, mussten wir feststellen, dass wir total unterschiedliche Vorstellungen haben. Jetzt bauen wir drei verschiedene Kummerkutter, jeder einen", erzählt Birgitta und lächelt.

Die Schiffe werden bunt dekoriert und bemalt. Segel werden genäht, es wird gehämmert und gesägt. Die Arbeit gibt den Teilnehmenden eine Aufgabe. Petra ist schon zum zweiten Mal dabei. Die grauhaarige Frau hat vor einigen Jahren ihren Mann verloren. "Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich auch ein Schiff für meine Sternenkinder machen soll", sagt sie. Als sie jünger war, hatte sie insgesamt drei Fehlgeburten. Dieser verlorenen Kinder gedenkt Petra heute.

In ihrer Unsicherheit hatte sie sich an Roßmanek gewandt. "Er meinte, ich solle das auf jeden Fall versuchen, auch wenn es schon so lange her ist. Denn auch nach so vielen Jahren sitzt die Trauer noch sehr tief."

Beim Workshop ist der Pastor eher als Handwerker im Einsatz. Er packt mit an, hilft bei der Gravur der Namen. Doch dann kommen die Momente, in denen er als Theologe gefragt ist. "Wenn die Namen auf die Schiffe graviert werden, ist meistens der Augenblick, wo ich dann auch frage: Wen vermisst du? Und da bin ich dann stark als Seelsorger gefragt. Da kommen Warum-Fragen und Traurigkeit und es kommen auch Tränen."

Auf Wunsch begleitet Roßmanek die Menschen auch, wenn sie die Kummerkutter an Alster oder Elbe auf ihren Weg schicken. Zum Horizont, wo die geliebten Menschen darauf warten.