Hilfswerk: Flüchtlingshilfe wird in Europa behindert

Kampagnenmotive der Seenotrettungsorganisation Sea-Eye e.V.
© epd-bild/Rolf Zoellner
Die Seenotrettungsorganisation Sea-Eye kritisierte 2021 die Politik der Bundesregierung mit dieser Kampagne: Auf dem Plakatfoto werden Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz aus Seenot gerettet.
"Brot für die Welt" kritisiert Politik
Hilfswerk: Flüchtlingshilfe wird in Europa behindert
Nur ein geringer Teil der Weltbevölkerung lebt in Staaten, in der die Zivilgesellschaft Spielräume für Engagement und Kritik hat. Das zeigt ein Bericht von "Brot für die Welt". Kritisch sieht das Hilfswerk, wie Flüchtlingshelfer unter Druck geraten.

Nichtregierungsorganisationen und Anwälten wird die Unterstützung für Flüchtlinge immer schwerer gemacht, auch in Europa. Zu diesem Ergebnis kommt der am Mittwoch in Berlin vorgestellte "Atlas der Zivilgesellschaft" des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", der beleuchtet, wie groß die Spielräume für zivilgesellschaftliches Engagement in einzelnen Ländern sind.

Ein besonderes Augenmerk legt die sechste Ausgabe auf Flüchtlingshelfer. "Wer sich für Menschen einsetzt, die Schutz und Unterstützung am dringendsten brauchen, wird kriminalisiert, an der Arbeit gehindert oder bedroht", sagte "Brot für die Welt"-Präsidentin Dagmar Pruin.

Mit Blick auf Europa kritisierte sie, die Regierungen blockierten die Seenotrettung im Mittelmeer massiv. Immer wieder wurden in der Vergangenheit Rettungsschiffe privater Organisationen in Italien beschlagnahmt. Der 88-seitige Bericht schildert zudem, wie in Griechenland, Polen und Ungarn Rechte von Flüchtlingen und ihren Unterstützerinnen sowie Unterstützern unter Druck geraten.

Polen habe Organisationen daran gehindert, sich ein eigenes Bild von der Lage an der Grenze zu Belarus zu machen, als viele Flüchtlinge dort versuchten, in die EU zu gelangen, sagte Pruin. "Brot für die Welt"-Referent Andreas Grünewald kritisierte Restriktionen für Flüchtlingshelfer in Griechenland, die inzwischen ein aufwendiges Registrierungsverfahren durchlaufen müssen, um Zugang zu Flüchtlingslagern zu erhalten.

Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen, stünden "im Zentrum einer globalen politischen Auseinandersetzung um menschliche Bewegungsfreiheit, Menschenrechte und Gerechtigkeit", heißt es im "Atlas der Zivilgesellschaft", in dem auch Vertreter und Vertreterinnen von Organisationen zu Wort kommen. Sie seien weltweit das Ziel politischer Angriffe und Diffamierungen. Zu beobachten sei das nicht nur in autokratischen, sondern auch demokratischen Staaten. Auch diese wollten keine Zeugen, wenn sie Flüchtlinge entrechteten, heißt es im Bericht.

Der von "Brot für die Welt" herausgegebene Bericht basiert auf Erhebungen des Netzwerks für bürgerschaftliches Engagement, Civicus. Er beleuchtet, wie groß in jedem Land der Welt die Spielräume für das Engagement der Zivilgesellschaft sind. Wichtige Kriterien dafür sind etwa die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit.

Russland und Iran am Ende der Skala

Auf einer fünfstufigen Skala von "offen" bis "geschlossen" stuft der Atlas die Freiheiten für jedes Land ein. Deutschland wird dabei als einer von 38 "offenen" Staaten geführt. Nur 3,2 Prozent der Weltbevölkerung leben dem Bericht zufolge in diesen Staaten. Weit größer ist der Anteil der Menschen, die in Staaten mit "beschränkter", "unterdrückter" oder "geschlossener" Zivilgesellschaft leben. Er liegt bei 85,5 Prozent. Am untersten Ende der Skala stehen dabei Länder wie Afghanistan, Russland und Iran.

Auch in Deutschland gebe es aber "alarmierende Entwicklungen", sagte Pruin mit Blick auf die von "Reporter ohne Grenzen" gemessene Verschlechterung der Lage der Pressefreiheit. Als besorgniserregende Trends weltweit benennt der Bericht zunehmende Militärputsche, die häufige Einschränkung von Versammlungsfreiheit, digitale Überwachung der Bürgerinnen und Bürger sowie Desinformation. Ein weiterer Trend sei die Einschränkung von Klimaaktivisten. Von Brasilien über die USA bis nach Polen würden sie als Staatsfeinde oder Klimaterroristinnen verleumdet, heißt es im Bericht.