Expertin lobt Pläne zur Krankenhausreform

Krankenhausbetten auf einem Flur in einem Krankenhaus
© epd-bild/Werner Krueper
Die Pläne zur Krankenhausreform sehen eine Loslösung von den Fallpauschalen vor, damit die notwendige medizinische Versorgung wieder in den Mittelpunkt rückt.
Krise im Gesundheitswesen
Expertin lobt Pläne zur Krankenhausreform
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das deutsche Krankenhaussystem reformieren. Ein Vorschlag dazu, der auch die Abkehr von den umstrittenen Fallpauschalen vorsieht, liegt sei vergangener Woche auf dem Tisch. Die Politologin Ricarda Milstein, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Management im Gesundheitswesen der Uni Hamburg, sieht in dem Entwurf viele gute Ansätze.

Frau Milstein, am vergangenen Dienstag hat eine Regierungskommission Vorschläge für eine künftige Krankenhausstruktur vorgelegt. Wie bewerten Sie diese Vorschläge?

Ricarda Milstein: Grundsätzlich halte ich diese Vorschläge für sehr gut und weit entwickelt, auch wenn nicht alle Fragen abschließend beantwortet sind.

Anders als bislang sollen Kliniken sich nicht mehr fast ausschließlich über Fallpauschalen finanzieren. Eingeführt werden soll eine Finanzstruktur aus zwei Säulen: weiterhin Fallpauschalen, allerdings im Niveau abgesenkt, und Geld für die Vorhaltung medizinischer Infrastruktur. Darin enthalten soll das Budget für die Pflege sein. Ist diese Struktur ein geeignetes Mittel, um die Krankenhausfinanzierung planbar und sicher zu machen?

Milstein: Das ist schon ein guter Weg. Das nimmt den Anreiz ein Stück weit weg, sich nur über die Menge an Behandlungsfällen zu finanzieren. Die Variierung nach Abteilungstyp scheint mir auch sinnig. In manchen Bereichen kann man ja besser planen, die Operationen besser verteilen als in anderen. Dort fallen die Vorhaltekosten nicht so ins Gewicht wie in anderen Bereichen. Dies ist in Abteilungen mit weniger planbaren Leistungen anders. Ob aber das Ineinandergreifen von Pflegebudget und Vorhaltepauschale vorteilhaft ist, kann ich derzeit noch nicht beurteilen.

Es soll auch festgelegt werden, welche Leistungen welche Klinik erbringen darf. Bislang ist das nur an die jeweiligen Fallmengen gekoppelt. Ist es sinnvoll, dass nicht jedes Krankenhaus prinzipiell alles erbringen darf?

Milstein: Es kommt natürlich auf die Feinjustierung an. Aber generell ist es ein Fortschritt für Deutschland, wenn wir die Leistungen in den Krankenhäusern an Qualitätskriterien knüpfen. Das können bestimmte Strukturvorgaben sein, beispielsweise ein CT, wenn man Schlaganfälle behandeln will, oder ein Herzkatheterlabor, wenn man Herzinfarkte versorgen will. Zwar gibt es hier jetzt schon erste Impulse. Wir haben beispielsweise Stroke Units für Schlaganfallversorgung oder Zuschläge für eine Notfallversorgung. Es ist also nicht so, dass wir hier komplett auf grüner Wiese arbeiten, aber es ist schön, wenn das noch weiter ausgerollt wird.

Gemäß dem Vorschlag soll es künftig drei Levels von Krankenhäusern geben, von der Basis- bis zur Maximalversorgung. Bislang bestimmen die Länder die Krankenhausstruktur. Welche Vorteile würde der Vorschlag der Regierungskommission bringen?

Milstein: Letztlich finde ich es sekundär, ob ein guter Vorschlag vom Bund oder von einem Bundesland kommt. Wichtig, ist, dass wir uns erst einmal darüber Gedanken machen, welche Krankenhäuser welche Leistungen erbringen sollen. Da haben wir jetzt einen sehr guten Vorschlag auf dem Tisch. Wir sollten uns eher fragen, ob unsere Krankenhäuser die Strukturen haben, um qualitativ gute Leistungen zu erbringen.

Es gibt ja auch schon reichlich Kritik an dem Vorschlag, beispielsweise der Hinweis, dass es ohne mehr Geld im System nicht gehen wird. Der Vorschlag geht ja von einer Kostenneutralität aus. Sind das stichhaltige Argumente?

Milstein: Der Aussage, dass nicht genügend Geld im System wäre, würde ich nicht zustimmen. Wir können aber die Verteilung optimieren. Wenn wir die Leistungserbringung in Krankenhäusern an Strukturvorgaben knüpfen, ist es sehr wahrscheinlich, dass gewisse Häuser diese Vorgaben nicht erfüllen und bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten können. Der Entwurf hat also das Potenzial, das Geld besser zu kanalisieren und bedarfsgerechter zu gestalten. Mit der Abschwächung des Mengenanreizes haben wir die Möglichkeit, dass der Anteil an unnötigen Operationen zurückgefahren wird. Die Finanzen, die dort frei werden, können wir dann an anderer Stelle besser investieren.

Andere Länder verfolgen einen ähnlichen Weg wie der, den die Regierungskommission vorgeschlagen hat. Welche Erfahrungen haben diese Länder damit gemacht?

Milstein: Was ich in dem Entwurf sehr gut wiedererkenne, ist das Modell in Frankreich. Auch dort gibt es ein Drei-Stufen-Modell im Niveau der Krankenhausversorgung, von der Grund- bis zur Maximalversorgung. Das funktioniert im Grundsatz sehr gut, ist aber natürlich immer abhängig von der Feinjustierung. Bei der Frage, welches Krankenhaus welche Operationen machen darf, gibt es ja immer ein Spannungsfeld: Einerseits möchte man eine wohnortnahe Versorgung, andererseits eine qualitativ hochwertige Medizin sicherstellen.

Die Politologin Ricarda Milstein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Management im Gesundheitswesen der Uni Hamburg.

Welche Lücken sehen Sie in dem vorliegenden Entwurf?

Milstein: Was beispielsweise noch nicht geklärt ist, ist die Frage, wie Patienten die Leistungsstufe erhalten, die sie benötigen. Auch die Frage der Aufwertung ambulanter Versorgung ist noch offen. Unklar ist mir auch noch, wie die unterste Ebene der Krankenhausversorgung mit der ambulanten Versorgung verschränkt werden soll. Die Notfallversorgung, die Rettungsleitstellen und Rettungsdienste sind in dem Vorschlag auch nicht enthalten. Das liegt aber auch in der Natur der Sache, und hier liegen bereits gute Vorschläge von anderer Seite auf dem Tisch.