Mannheimer Kirchenschiff feiert Geburtstag

Fahne mit dem Ankerkreuz auf dem Kirchenschiff "Johann-Hinrich-Wichern"
© epd-bild/Ralf Schick
Das Mannheimer Kirchenschiff "Johann-Hinrich-Wichern" fährt seit 60 Jahren.
Seelsorge für Binnenschiffer
Mannheimer Kirchenschiff feiert Geburtstag
Ein Gruß oder Segen vom Kirchenboot zum Binnenschiff: Zwei Mal pro Woche ist die Schifferseelsorgerin Anne Ressel mit der "Wichern" im zweitgrößten deutschen Binnenhafen unterwegs. Jetzt wird das Mannheimer Kirchenschiff 60 Jahre alt.

Am Bug ist ein großes blaues Kreuz, auf der Fahne sind Anker und Kreuz: Die zwölf Meter lange "Johann Hinrich Wichern" ist das einzige Kirchenschiff im süddeutschen Raum und seit 60 Jahren in den Häfen von Mannheim und Ludwigshafen unterwegs. Am 22. Mai wird das Jubiläum mit einem Festgottesdienst in der Mannheimer Hafenkirche begangen.

Seit 1962 fährt die "Wichern" in dem zweitgrößten Binnenhafen Deutschlands von Bord zu Bord. Zweimal pro Woche ist Pfarrerin Anne Ressel mit dem Motorschiff auf Rhein und Neckar unterwegs zu den Binnenschiffern und ihren Familien. Der Dienst der Schifferseelsorgerin sei "ziemlich einzigartig", sagt Anne Ressel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Im zweitgrößten Binnenhafen nach Duisburg lädt sie auch zu Gottesdiensten ein und bietet für Interessierte Gruppenfahrten an.

Sie nimmt sich Zeit für Gespräche über Gott und die Welt - mit Menschen, deren Arbeitswelt oft übersehen wird. Sie hört von ihren Sorgen - wenn etwa wegen Hochwassers auf der Wasserstraße gar nichts mehr geht oder sich durch die Corona-Pandemie der Transportmarkt radikal ändert.

Zeit auch für längere Gespräche

Es sei alles immer sehr spontan, wenn sie mit dem Kirchenschiff bei den Binnenschiffern für ein kurzes Gespräch oder einen Segen anlegt. Diese hätten wegen der kürzer werdenden Liege- und Löschzeiten oft keine Zeit oder nutzten die freie Zeit für einen Besuch in der Stadt, erzählt die evangelische Pfarrerin. Und nicht jeder, den sie an Bord antrifft, ist für Religiöses aufgeschlossen.

Viele hätten "mit Kirche nichts am Hut", wie sie sagten. Trotzdem bringt Ressel weiter an zwei Tagen pro Woche einen kleinen Gruß oder einen Segen vorbei und ist überzeugt, dass dies etwas bewegt. So zeige die Kirche den Schiffern, "ihr seid nicht vergessen und wir interessieren uns für euch". Aber auch für Seelsorge-Gespräche nimmt sie sich Zeit.

Für Feiern zu mieten

Als Ressel 2015 ihren Dienst als Schifferseelsorgerin begann, machte sie zuallererst ihren Bootsführerschein und den Funkerschein. Ein boots-begeistertes Team von mehr als 20 Ehrenamtlichen unterstützt sie.
Seelsorge speziell für Binnenschiffer, die mit ihrer Fracht auf Flüssen und Kanälen unterwegs sind, gibt es sonst nur noch in Duisburg und Hamburg. Die katholische Kirche hat keine Schifferseelsorger mehr in Deutschland.

Gründungsvater der Binnenschiffer-Seelsorge war 1870 der Theologe Johann Hinrich Wichern, der als Begründer der Diakonie in Deutschland gilt. Sein Anliegen war es, mit den Menschen im Hafen direkt in Kontakt zu kommen und als Kirche dahinzugehen, "wo die Menschen sind".

Deshalb will Ressel auch die Mannheimer an Bord bekommen und für einen Perspektivwechsel sorgen. Daher bietet sie neben Infofahrten das Kirchenschiff auch für Taufen oder Trauungen, für Geburtstage oder andere Lebensfeste an. Das Schiff, das in der Kabine Platz für 12 Personen hat, kann dafür samt Besatzung gegen eine Spende gemietet werden. "Wir sind eine Stadt an den Flüssen", sagt Anne Ressel, und "auf dem Wasser nimmt man die Umgebung anders wahr als von Land. Solch ein Perspektivwechsel tut gut".