Drogenbanden terrorisieren Armenviertel von Rio de Janeiro

Drogenbanden terrorisieren Armenviertel von Rio de Janeiro
Der Drogenkrieg in Rios Armenviertel, den Favelas, fordert einen hohen Blutzoll: 21 Menschen starben nach neuen Angaben der Polizei durch den massiven Gewaltausbruch am Wochenende, darunter drei Polizisten. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sagte den Drogengangs erneut den Kampf an.

Es geht nicht nur um die Sicherheit der in Angst und Schrecken lebenden Favela-Einwohner. Auf dem Spiel steht auch der Ruf von Rio als «Cidade Maravilhosa» (Wunderbare Stadt), die erst vor rund zwei Wochen zur Olympia-Stadt 2016 gekürt wurde.

Der Bandenkrieg vom Wochenende hat die brasilianische Millionen-Metropole am Atlantik in Schockzustand versetzt und Rio nach zwei Wochen Olympia-Hochstimmung jäh auf den Boden der Realität zurückgeholt. Lula verurteilte die Vorfälle am Montag in São Paulo bei einem Treffen mit seinem kolumbianischen Amtskollegen Álvaro Uribe, der selbst in seinem Land mit dem Terror der Drogenkartelle zu kämpfen hat. An die Adresse der Drogenbosse sagte Lula: «Wir werden das Notwendige tun, um den Dreck zu beseitigen, den diese Leute im ganzen Land hinterlassen.»

Fest in der Hand der Drogenbanden

Ob sich die verfeindeten Rio-Gangs «Comando Vermelho» (Rotes Kommando) und «Amigos dos Amigos» (Freunde der Freunde) davon beeindrucken lassen, ist fraglich. Sie haben die Claims abgesteckt und die Polizei traut sich nur mit schwerstem Gerät in einige Favelas, wo «Soldaten» der Banden am helllichten Tage mit Maschinenpistolen auf den Straßen patrouillieren. Es ist eine Parallelwelt.

Die genauen Hintergründe des aufgeflammten Drogen-Kriegs sind noch nicht genau geklärt. Es scheint aber sicher, dass einige Mitglieder des «Comando Vermelho» aus der Favela «Morro São João» in der Nacht zum Samstag in die verfeindete Siedlung «Morro dos Macacos» eindrangen, um lukrative Drogenumschlagsplätze der «Amigos dos Amigos» zu besetzen. Die Schießereien begannen bereits gegen 1.00 Uhr nachts und eskalierten im Laufe des Tages zu einer regelrechten Schlacht.

«Das waren die schlimmsten Angriffe seit Jahrzehnten», berichtete ein Anwohner lokalen Medien. Seinen Namen wollte er nicht nennen. «Ich darf nicht reden. Ich lebe hier, und die Leute werden hier gejagt.» In verschiedenen Favelas gingen Busse in Flamen auf, ein Auto und Reifen wurden angezündet. Der Befehl für den Angriff soll nach Informationen aus Sicherheitskreisen aus einem Hochsicherheitsgefängnis ergangen sein. Das wurde aber im Laufe des Montags wieder dementiert.

Polizei griff spät ein

Die Polizei, die von dem Übergriff nach eigenen Angaben vorher wusste, griff erst am Tage ein. Ein Helikopter mit sechs Polizisten an Bord wurde beschossen. Die Maschine fing Feuer und konnte nur mit Mühe auf einem Fußballplatz notlanden. Nur vier Insassen gelang es, den Hubschrauber rechtzeitig zu verlassen. Zwei 29 und 39 Jahre alte Polizisten starben in der Maschine. Ein weitere Beamter, der schwerste Verbrennungen erlitten hatte, starb am Montag in einem Militärkrankenhaus. Der Zustand eines vierten Polizisten wird als «sehr ernst» beschrieben.

«Sie machen ihr Theater und wir bezahlen es. Es gibt Mittel für die Fußball-WM (2014) und Olympia, aber nicht für die Ausstattung der Polizei. Wie kann man nur einen ungepanzerten Hubschrauber in ein Risikogebiet schicken», klagte die Tante eines getöteten Polizisten bei der Beerdigung. Lula sagte Rio de Janeiro Hilfen für die Polizei von rund 100 Millionen Reals (etwa 38,5 Millionen Euro) zu und zudem einen neuen Hubschrauber.

Es war ein grausiges Wochenende, das Rio wieder einmal Negativschlagzeilen bescherte und das Image der frisch gekürten Olympia-Stadt beschädigte. Auch Lula räumte ein, dass solche Vorfälle das Bild des Landes «beschmutzten». Zwar werden die Olympischen Spiele nicht in den Favelas ausgetragen, aber durch die geografischen Gegebenheiten in Rio liegen Arm und Reich oft dicht, sehr dicht beieinander. Berge auf der einen und der Atlantik auf der anderen Seite lassen nicht viel Platz zum Ausweichen. Favelas beginnen oft nur einen Steinwurf entfernt von sogenannten besseren Vierteln.

Schatten auf der Olympiastadt

Der «Morro dos Macacos», das Epizentrum der blutigen Auseinandersetzungen von Samstag, liegt ganz in der Nähe vom legendären Maracanã-Stadion, wo 2016 die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele stattfinden soll. Die Regierung bemüht sich mit Millionen-Investitionen und einem ehrgeizigen Sicherheitskonzept, Armut und Gewalt in den Favelas in den Griff zu bekommen.

Bei der Olympiaentscheidung in Kopenhagen vor rund zwei Wochen garantierte Lula 2016 «sichere Spiele». Über Rio werde jetzt nicht mehr nur in den Polizeinachrichten berichtet, hoffte er. Das war zumindest am vergangenen Wochenende nicht der Fall, als die pittoreske «Stadt am Zuckerhut» ihre Schattenseite zeigte.

dpa