Papst will den Wildwuchs des Kapitalismus eindämmen

Papst will den Wildwuchs des Kapitalismus eindämmen
Neue Strukturen für die Finanzmärkte. Das fordert Papst Benedikt XVI. in seiner Sozialenzyklika, die er jetzt zur weltweiten Krise vorgelegt hat. Der Papst fordert einen radikalen Neuanfang: Wirtschaftliches Handeln muss dem Wohl der Menschen dienen. Reine Profit-Orientierung ist kontraproduktiv.
17.07.2009
Bettina Gabbe

Pünktlich zum Treffen der wichtigsten Industrienationen beim G-8-Gipfel in L'Aquila hat Papst Benedikt XVI. seine Ideen für eine Überwindung der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise vorgelegt. In der nach dem Ausbruch der Krise eigens überarbeiteten dritten Enzyklika "Caritas in veritate" (Liebe in Wahrheit) erteilt er dem Wildwuchs des Kapitalismus nach dem Ende des Kalten Krieges eine herbe Absage.

 

"Um die Weltwirtschaft zu steuern, die von der Krise betroffenen wirtschaften zu sanieren, einer Verschlimmerung der Krise und sich daraus ergebenden Ungleichgewichten vorzubeugen, ist das Vorhandensein einer echten politischen Weltautorität dringend nötig", schreibt er in seiner Sozialenzyklika. Nur eine mit weit mehr Macht als die Vereinten Nationen ausgestattete Institution könne "vollständige Abrüstung verwirklichen, Sicherheit und Frieden nähren, Umweltschutz gewährleisten und Migrationsströme regulieren", so das Kirchenoberhaupt.

 

Die weltweite Krise sieht der Papst als Chance für einen radikalen Neuanfang. Den noch von seinem Vorgänger in dessen Sozialenzyklika "Centesimus Annus" 1991 propagierten Glauben an einen sich selbst regulierenden Markt sieht er durch die Krise in Misskredit gebracht. Ein allein auf Profit basierendes wirtschaften gefährdet Benedikt zufolge das Wohl der Menschen.

 

Staatliche Regulierung zum Wohl des Menschen

 

Der Konjunktureinbruch zeigt nach Auffassung des ehemaligen Präfekten der Glaubenskongregation, dass Markt und Staat eng miteinander verbunden sein müssen. Ohne staatliche Regulierung verliert die Wirtschaft demnach ihre auf das Wohl des Menschen auszurichtende Funktion aus den Augen.

 

Im Interesse von Hauptaktionären, "bei denen es sich normalerweise um anonyme Fonds handelt", drohen auf spekulative Geschäfte zielende Märkte Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit und Hunger zu treiben. Jenseits der Gründung einer der bestehenden internationalen Organisationen übergeordneten Instanz fordert der Papst in seiner seit mehr als einem Jahr mit Spannung erwarteten Enzyklika eine "Erneuerung der Strukturen" des Finanzmarkts. Weder Finanzjongleure noch Unternehmer hätten das Recht, losgelöst von den Interessen anderer Menschen zu handeln. In diesem Zusammenhang sieht der Papst auch die mangelnde Anerkennung der Rechte von Arbeitskräften in Ländern, in die Industrienationen zunehmend ihre Produktion auslagern. Arbeitsmigranten dürften darüber hinaus nicht als Ware behandelt, sondern müssten in ihrer unveräußerlichen Würde respektiert werden.

 

Wirtschaft braucht Ethik

 

Nach Jahren der Vergötterung des Markts muss nach den Worten des Papstes wieder der Mensch in den Mittelpunkt von wirtschaft und Gesellschaft gestellt werden. Dabei wendet er erneut eine der Hauptthesen seines Pontifikats, nach der ganzheitliche Entwicklung des Menschen ohne Gottesglauben nicht möglich ist, erneut auch auf kirchliche Einrichtungen an. Wenn er eine Reduzierung kirchlicher Aktivitäten auf  Sozialeinrichtungen beklagt, erneuert er die bereits in seiner ersten Enzyklika "Deus caritas est" geäußerte Kritik an katholischen Entwicklungshelfern, die auf Missionierung verzichten.

 

Was in den Augen des Papstes für die Macht des Marktes gilt, wendet er auch auf moderne Technologien an. Ohne ethische Grundlage könnten diese allein das Leben der Menschen nicht verbessern, sondern seien anfällig für Missbrauch. Wie in der Wirtschaft ist Ethik dem Papst zufolge heute auch vermehrt bei Umweltschutz und Energiepolitik gefordert. Industriestaaten behinderten die Entwicklung armer Länder, indem sie nicht erneuerbare Energiequellen aufkauften. Ökologen wirft er vor, die Natur zu Unrecht über den Menschen zu stellen. Damit zeigt Benedikt sowohl skrupellosen Spekulanten und Kapitalisten als auch Umweltschützern die Rote Karte, für die Bäume wichtiger als Menschen sind.