Glaube zwischen den Fronten

Erwé Wasseré (Muslim) und seine Frau Princia Kossingou (Christin)
Foto: epd/Bettina Rühl
Erwé Wasseré (Muslim) und seine Frau Princia Kossingou (Christin) in ihrem Haus in Bangui, der Haupstadt der Zentralafrikanischen Republik.
Glaube zwischen den Fronten
In der Zentralafrikanischen Republik leben christlich-muslimische Familien gefährlich
Es braucht nicht viel dieser Tage, um sein Leben in Zentralafrika zu riskieren. Muslime trauen sich aus Angst vor Gewalt kaum noch aus dem Haus, gemischt-religiöse Familien trifft die Ausgrenzung besonders hart.

Erwé Wasseré trägt eine hellblaue, goldgelb bestickte Gandura, das bodenlange Gewand vieler Muslime. Der Zentralafrikaner kleidet sich gerne so und tat es früher, ohne sich viele Gedanken zu machen. Seit ein paar Monaten ist das anders. "Wenn Du mit einer Gandura auf die Straße gehst, riskierst Du Dein Leben." Der 43-Jährige zieht heute Hemd und Hose an, wenn er das Haus verlässt. Das passiert jedoch immer seltener. "Ich habe Angst. Ich lebe wie in einem Gefängnis."

Wasseré wohnt in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Dort ufern Kämpfe zwischen muslimischen und pro-christlichen Milizen immer weiter aus. Die Vereinten Nationen warnen seit Monaten vor einem Völkermord. Die Krise begann im März 2013 mit dem Putsch der überwiegend muslimischen Rebellenkoalition "Séléka" ("Allianz"). Seitdem begehen die Rebellen schwere Verbrechen an der christlichen Bevölkerung. Als Antwort taten sich lokale christliche Milizen, Deserteure und Banditen zu den "Anti-Balaka" ("Gegen die Macheten") zusammen. Sie verfolgen Muslime und plündern immer hemmungsloser.

Neun Kinder - teils getauft, teils muslimisch

Während die beiden Glaubensgemeinschaften früher halbwegs friedlich zusammen lebten, treibt die Angst vor Übergriffen sie nun auseinander. Nach UN-Angaben sind rund eine Million Menschen im Land auf der Flucht, bei einer Bevölkerung von etwa 4,6 Millionen. Die Vertriebenen suchen in Kirchen, Moscheen oder Schulen Zuflucht, und auch am Flughafen von Bangui: rund 100.000 Menschen campieren auf den Rasenflächen neben dem Rollfeld.

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Erwé Wasseré ist mit seiner Familie erst vor drei Tagen aus einer Kirche nach Hause zurückgekehrt. Die hygienischen Umstände und die Unruhe im dem überfüllten provisorischen Camp waren auf Dauer unerträglich, auch wenn die Vertriebenen dort wenigsten ein paar Lebensmittel bekamen. Jetzt will Wasserés Familie es noch mal zu Hause versuchen. "Aber ich habe Angst."

Wasserés Vater war Muslim, seine Mutter Christin. Er selbst wurde zunächst katholisch getauft und konvertierte später zum Islam. Seine Brüder und Schwestern, mit denen er im großen Haus der Familie zusammen wohnt, sind Christen geblieben. Seine Frau Princia Kossingou ist ebenfalls Christin. Ihre neun Kinder haben die beiden teils christlich taufen lassen, teils in den Islam eingeführt. "Aber jetzt spüre ich, dass sogar meine Familie mich immer mehr ablehnt", erzählt Wasseré.

"Jetzt bete ich alleine hier zu Hause"

"Sie sagen, die Muslime seien schlechte Menschen und ich solle aufhören, in die Moschee zu gehen." Diesen letzten Rat befolgt Wasseré notgedrungen sowieso: "Die Christen haben alle Moscheen in den Stadtvierteln zerstört, nur die große Zentralmoschee ist noch erhalten." Aber der Weg dorthin ist weit, und damit viel zu gefährlich. "Jetzt bete ich alleine hier zu Hause. Im Verborgenen." Nur seine Frau Princia Kossingou hält noch zu ihm. Aber auch sie bittet ihn immer wieder, sie in die Kirche zu begleiten: "Er kann dort ja zu seinem Gott beten. Aber in die Moschee zu gehen, ist einfach zu gefährlich." Sieben seiner muslimischen Freunde wurden bereits getötet.

Auch ihre Kinder seien schon bedroht worden, erzählt das Paar. Die beiden sind seitdem jeden Tag voller Unruhe, solange ihr Nachwuchs in der Schule ist. "Unseren muslimischen Kindern haben wir inzwischen verboten, ein Kopftuch und andere islamische Kleidung zu tragen", sagt die Mutter mit leiser Stimme, für sie ist das ein Scheitern.

Auch wirtschaftlich ist das Überleben schwer geworden: Wasseré ist Diamantenschürfer, aber wegen der Gewalt ist der Weg zu den Fundstellen schon seit Monaten zu gefährlich. Bis jetzt konnte die Familie von ihren Ersparnissen und gelegentlichen Hilfslieferungen leben. "Aber langsam sind wir am Ende", sagt Kossingou.

Von allen Seiten beäugt, bedroht und verfolgt

Zu ihren wenigen verbliebenen Freunden gehört Nadifa Assana, die in der Nachbarschaft wohnt. Sie ist, wie Wasseré, die Tochter eines Muslims und einer Christin. Sie selbst ist Christin und lebt mit ihren muslimischen Brüdern und deren Familien in einem überwiegend christlichen Viertel zusammen. "Wir sind vielleicht noch gefährdeter, als alle anderen", sagt die 28-Jährige. "Die Christen denken über mich: Die ist doch zu 50 Prozent Muslim, also eine praktisch eine Muslima. Und die Muslime denken dasselbe über meine Brüder: dass die im Grunde Christen seien."

Assana fühlt sich von allen Seiten beäugt, bedroht und verfolgt. Morddrohungen gab es schon reichlich, und die christlichen Nachbarn plünderten ihr Haus, während sie selbst vorübergehend in eine Kirche geflohen waren. Vor allem das hat Assana zutiefst deprimiert und verstört. "Wir kennen uns seit Jahren, wir haben uns immer gut verstanden. Und jetzt das."

Wirtschaftlich ist ihre Lage inzwischen ebenso aussichtslos, wie die von Wasseré. "Wir handeln mit Feuerholz, aber unsere christlichen Nachbarn kaufen nicht mehr bei uns." Assana möchte sich am liebsten den Trecks der Flüchtenden anschließen, egal, in welches Nachbarland. "Aber solche Konvois wurden schon oft überfallen, die Flucht ist also auch lebensgefährlich." Sie hat nur noch ein Ziel: herauszufinden, wie sie und ihre Familie ihre einstige Heimat möglichst schnell und sicher verlassen können.