TV-Tipp des Tages: "Rommel" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Rommel" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Rommel", 9. November, 20.15 Uhr im Ersten
Rommel war jahrelang ein glühender Verehrer Hitlers, doch als der vermeintlich größte Feldherr aller Zeiten nicht einsehen will, dass die Invasion der Alliierten an der französischen Atlantikküste der Anfang vom Ende sein wird, bröckelt die Euphorie des vom Volk als "Wüstenfuchs" verehrten Offiziers.

Von seinem produzentischen Ziehvater Bernd Eichinger hat Nico Hofmann unter anderem gelernt, dass man die Basis eines späteren Erfolgs möglichst schon in der Produktionsphase legt. Auf die unangenehmen medialen Begleiterscheinungen während der Dreharbeiten zu "Rommel" aber hätte Deutschlands erfolgreichster Fernsehproduzent vermutlich gern verzichtet: Die Nachkommen des Generalfeldmarschalls protestierten vehement gegen das Projekt. Ihrer Meinung nach hat der bis heute populäre Offizier schon 1942 starke  Zweifel am NS-Regime gehabt und nicht erst, wie der Film suggeriere, 1944. Der von Hofmanns Firma teamWorx initiierte und maßgeblich mit Geldern des SWR entstandene Fernsehfilm konzentriert sich zwar auf das Jahr 1944 und somit Rommels letzte Lebensmonate, legt aber in der Tat die Deutung nahe, Rommels Nibelungentreue zu Adolf Hitler habe erst in dieser Zeit nicht zuletzt aufgrund der Gräueltaten der SS einen gewissen Dämpfer erhalten.

Vom Wegseher zum Kritiker Hitlers

Das mag den Nachfahren nicht gefallen, deckt sich jedoch offenbar mit der Ansicht diverser Historiker; gleich vier Berater haben das Drehbuch von Niki Stein unter die Lupe genommen. Der Regisseur hat diesmal womöglich noch akribischer recherchiert als für sein mehrfach ausgezeichnetes Scientology-Drama "Bis nichts mehr bleibt" (ebenfalls eine teamWorx-Produktion). Die Faktentreue und der weitgehende Verzicht auf die sonst übliche Fiktionalisierung von Tatsachen ehrt ihn zwar, hat aber zur Folge, dass "Rommel" ein für Steins Verhältnisse sperriges Werk geworden ist. Wo Hollywood bei einem verwandten Stoff wie "Operation Walküre" auf konsequente Dramatisierung gesetzt hat, hofft Stein offenbar, dass die Historie allein spannend genug ist. Das ist natürlich nicht falsch, zumal Rommels radikaler Wandel vom Wegseher zum Kritiker Hitlers in der Tat ein ungeheuer fesselnder Prozess ist. Aber Stein will mehr, und das tut dem Film nicht gut.

Rommel war jahrelang ein glühender Verehrer Hitlers, doch als der vermeintlich größte Feldherr aller Zeiten nicht einsehen will, dass die Invasion der Alliierten an der französischen Atlantikküste der Anfang vom Ende sein wird, bröckelt die Euphorie des vom Volk als "Wüstenfuchs" verehrten Offiziers. Damit man dies als Zuschauer nachvollziehen kann, muss selbstredend der Kriegsverlauf erläutert werden. Weil Stein auch in diesem Punkt seine Maxime der größtmöglichen Faktentreue beherzigt, muss sich Rommel ständig mit hochdekorierten Offizierskollegen auseinandersetzen, die man nur deshalb auseinander hält, weil sie ausgesprochen namhaft besetzt sind. Doch so eindrucksvoll diese Herren auch verkörpert werden (unter anderem von Hanns Zischler, Klaus J. Behrendt, Tim Bergmann und Thomas Thieme): Vielen Zuschauern wird sich nur mühsam erschließen, wer welche Rolle in diesen sieben Monaten gespielt hat. Die ständig wechselnden Schauplätze werden jeweils erklärt, aber im Grunde wäre das auch bei den gleichfalls ständig wechselnden Nebenfiguren nötig gewesen.

Außerdem verstellt das umfangreiche Personal immer wieder den Blick auf die Hauptfigur. Wer sich nicht für militärische Traditionen interessiert, wird für den preußischen Kadavergehorsam des Schwaben Rommel kein Verständnis haben. Dabei macht gerade die Ambivalenz der zwei Seelen in seiner Brust die Biografie zur klassischen Tragödie: hier die Loyalität zu Hitler, dort die Erkenntnis der Niederlage und die damit einhergehende moralische Pflicht, den unnötigen Tod zigtausender Soldaten zu verhindern. Daher ist Rommels Anteil an der Verschwörung gegen Hitler so wichtig. Stein will sich nicht in letzter Konsequenz festlegen, er hält sich auch bei diesem Punkt an die Fakten, und Ulrich Tukurs charismatische Verkörperung des Generalfeldmarschalls entspricht dieser Haltung. Die beinahe reizvollere Rolle hat deshalb Benjamin Sadler als Rommels Stabschef Speidel, ein Einflüsterer, der seinen Vorgesetzten auf die Seite der Verschwörer ziehen will, sich aber nie sicher sein kann, wie weit er dabei gehen darf. "Rommel" wird ohne Frage polarisieren, doch allein die Tatsache, dass man über diesen Film trefflich streiten kann, macht ihn sehenswert. Die schauspielerischen Leistungen sind ohnehin famos. Im Anschluss zeigt die ARD eine Dokumentation über Erwin Rommel.