Klosterurlaub: Den Schock der Stille aushalten

Kloster
© AskinTulayOver/Vetta/istockphoto/Getty Images
Himmlische Ruhe hinter dicken Mauern: Im Kloster kann man durchatmen und die Seele baumeln lassen.
Klosterurlaub: Den Schock der Stille aushalten
Aus dem Geheimtipp ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Suche nach Selbsterkenntnis und Sinn führt viele Menschen ins Kloster. Hanspeter Oschwald gibt Tipps, wie man diesen Urlaub gut vorbereitet und Enttäuschungen vermeidet.

Seit wann verbringen Menschen ihren Urlaub im Kloster? Und wer tut das?

Hanspeter Oschwald: Zunächst war das eher eine elitäre Veranstaltung. Den Anfang machte das Benediktinerkloster in Niederaltaich an der Donau zwischen Regensburg und Passau. Ein Dutzend von Leuten, vor allem Führungspersonal aus Konzernen in München, hatte sich in den 1990er Jahren für das Angebot "Kloster auf Zeit" interessiert. Zuvor hatte ein Spitzenmanager gesehen, wie in Asien in einem Kloster für ein Vierteljahr Aufenthalt angeboten wurde. Führungskräfte haben sich, bevor sie ein Spitzenamt übernommen haben, bewusst dahin zurückgezogen, um sich zu besinnen und vorzubereiten. Einer von ihnen hat den damaligen Abt von Niederaltaich gefragt, ob man das nicht auch hier anbieten könnte.

Was suchen Klosterurlauber und was finden sie dann tatsächlich?

Oschwald: Einen Grundirrtum gibt es: Viele nehmen an, Zeit in einem Kloster zu verbringen, wäre eine sehr fromme Angelegenheit. Das kann so sein, muss aber nicht so sein. Die meisten Leute suchen eher Ruhe, Besinnung und gelegentlich Gespräche, die in den Klöstern in aller Regel angeboten werden, auch konfessionsüberschreitend. Wenn jemand ein Problem hat, ist ein Pater oder Bruder bereit, das Gespräch zu führen. Es gibt da keinerlei Grenzen, außer der Tagesablauf im Kloster setzt sie. Schließlich haben die Pater und Brüder auch Aufgaben zu erledigen. Viele Urlauber bleiben zwei Wochen; es kann aber auch mehr oder weniger sein.

Wie sieht ein typischer Urlaubstag im Kloster aus: Beten, Arbeiten und Schweigen?

Oschwald: Das kann man natürlich so machen, muss man aber nicht. Manche Klöster, die einen Urlaub anbieten, sind im Grunde nur ein sehr stilles Hotel. Die Betten muss man selbst machen. Wie in einem normalen Hotel gibt es aber ein Frühstück, Mittagessen und Abendessen, mit dem Unterschied der Abgeschiedenheit und Ruhe. Ein Klosterurlaub ist wirklich etwas anderes. Da gibt es keinen Trubel, keine Freizeitgestaltung, höchstens eine spirituelle. Für manche Aufenthalte muss aber auch ordentlich Geld bezahlt werden. Dann wird zumeist ein Programm angeboten, Vorträge, etwa zum klösterlichen Alltag, können besucht werden. Andere Gemeinschaften hingegen erwarten kein Geld, dafür aber Mitarbeit. Man steht frühmorgens auf, betet mit den Patres und macht auch, wie alle, den Küchendienst. Die Bandbreite reicht vom Urlaub in der Stille, von Wellness-Angeboten, bis zur aktiven Mitarbeit oder dem Mitleben in der Gemeinschaft der Nonnen und Mönche. Wie ein typischer Urlaubstag aussieht, lässt sich nicht sagen, weil jedes Kloster sein eigenes Angebot hat.

"Manchen überfordert dieser völlige Rückzug auf sich selbst"

Kann man als Urlauber am Klosterleben teilnehmen?

Oschwald: Ja, das geht. Wer will, kann sich voll auf das Klosterleben einlassen. Wer kein Telefon in seiner Klosterzelle haben will, hat auch keines. Und früh am Morgen gegen fünf Uhr klingelt es dann auf dem Flur und man geht zur ersten Andacht. So habe ich das selbst erlebt. All das kann man bis zum Abend mitmachen, wobei der Begriff des "Abends" relativ ist. Wenn bei manchen von uns um neun Uhr das Leben beginnt, gehen im Kloster bereits die Lichter aus.

Inwiefern spielen die Regeln im Kloster für den Urlauber eine Rolle? Wie sieht es beispielsweise mit Rauchen und Trinken aus?

Oschwald: Ich habe keine Raucher gesehen, ehrlich gesagt aber auch nicht darauf geachtet, weil es mich nicht betrifft. Wenn sie beispielsweise in der Klosterzelle in Montecassino, zwischen Rom und Neapel, am Fenster stehen, ins Tal blicken, und dort in der Ferne auf der Autobahn zwar Fahrzeuge sehen, aber nichts hören, dann darf man zeitweilig richtig Abschied nehmen von dieser Welt. Dazu passt einfach nicht, dass man sich betrinkt. Ich habe das nie erlebt. Allerdings gibt es andere Probleme: Es kann sein, dass einen diese Stille und Abgeschiedenheit, dieser völlige Rückzug auf sich selbst überfordert. Der ein oder andere ist da schon abgehauen. Andere sind in das nächste Dorf gegangen, um dann doch in der Kneipe einen zu trinken und später zurückzukehren. Manche müssen einfach kurz aus dieser stillen Welt ausbrechen, die sie zwar gesucht haben, mit der sie aber nicht sofort zurecht gekommen sind.

Verfolgen die Klöster damit Ziele?

Oschwald: Der Verdacht, dass Klöster auf diese Art und Weise Novizen rekrutieren, stimmt nicht. Sie verstehen das vielmehr als Angebot für Leute, die Stille und Einkehr mit Meditation suchen.

"Von der Stille bis zum Wellness-Angebot: Jeder Orden hat einen anderen Stil und eine andere Ausrichtung"

Was können Klosterurlauber machen, um Enttäuschungen zu vermeiden?

Oschwald: Am Besten geht man schon einmal vorher hin, schaut sich die Lage an und spricht mit den Menschen. Vielleicht geht man auch in die Kirche und besucht einen Gottesdienst. Man merkt dann relativ schnell, ob man am richtigen Ort ist oder sich noch einmal woanders umschaut. Jedes Kloster ist anders. Außerdem sollten sie wirklich bereit sein, sich auf sich selbst einzulassen. Manche machen Urlaub, um was zu erleben. Dann kommen sie nach Hause, sind abgespannt und mindestens so gestresst wie zuvor. Im Kloster hingegen gibt es allenfalls den Stress der Stille und der Ruhe. Wer vor einer wichtigen Lebensentscheidung steht, Bilanz ziehen will und darüber nachdenken möchte, was richtig für ihn ist, für den kann das Kloster der passende Ort sein. Die Konfession spielt hierbei keine Rolle. Allerdings die Unterscheidung der einzelnen Orden: Benediktiner, Franziskaner, Kapuziner. Jeder hat einen anderen Stil und eine andere Ausrichtung.

Wie plant man seinen Klosterurlaub?

Oschwald: Man kann hingehen und bleiben. Letztlich ist das eine rein logistische Frage, ob gerade eine Klosterzelle frei ist. Am leichtesten ist es, einen Platz zu finden, wenn man nur eine gewisse Zeit dort verbringen möchte. Wird jedoch ein Programm erwartet, muss sich der Urlauber natürlich nach dem Angebot richten. Mittlerweile haben die meisten Klöster eine Homepage, da lässt sich der Aufenthalt gleich buchen.

Kann man auch als Paar Urlaub im Kloster machen?

Oschwald: Wenn es die Möglichkeit gibt, würde ich das geradezu empfehlen. Wenn alle Ablenkungen weg sind, merkt man, ob man miteinander zurecht kommt. Es gibt wunderbare Klostergärten zum Spazierengehen, zum Meditieren. Beispielsweise das Kloster Beuron ist besonders abgeschieden. Das ist ideal, um über alles mögliche nachzudenken, ohne abgelenkt zu werden.

Ist so ein Klosteraufenthalt auch was für Familien?

Oschwald: Für Familien ist in den herkömmlichen Klosterzellen nicht ausreichend Platz vorhanden. Die meisten Klöster haben aber inzwischen Gästehäuser eingerichtet, die getrennt sind vom eigentlichen Klosterbetrieb. Die Dominikanerinnen in Koblenz-Arenberg führen beispielsweise einen zusätzlichen Gasthofbetrieb. Den Urlaubern steht es frei, ob sie "nebenan" an den Andachten und Messen der Nonnen teilnehmen möchten. Mit diesem "Hotel" hat die Gemeinschaft sich das Überleben des Klosters gesichert.

Was schätzen Sie persönlich an einem Urlaub im Kloster?

Oschwald: Journalisten arbeiten ja nicht unbedingt in einem meditativen Beruf. Mein Wohnsitz liegt ideal. Wenn ich Ruhe haben will, habe ich sie. Nehmen sie aber zum Beispiel das fast 1500 Jahre alte Kloster Montecassino. Mir imponiert es, wenn mit einem Ort auch Geschichte verbunden ist. Zwar wurde Montecassino von den Deutschen während des Zweiten Weltkrieges total zerstört, es wurde aber später wieder aufgebaut. Die Abtei liegt auf einem Berg, irgendwo zwischen Hier und Jenseits. Da gibt es Gespräche und spirituelle Erfahrung, wie man sie an anderen Orten nicht finden kann. Dafür war ich eine gewisse Zeit lang durchaus sehr empfänglich.

 

Dieses Interview wurde am 10. Juli 2013 erstmalig auf evangelisch.de veröffentlicht.