Warten auf die Flut in Hitzacker

Ein Rettungsring am Elbufer der historischen Stadtinsel im niedersächsischen Hitzacker.
Foto: epd-bild/Patrick Piel
Ein Rettungsring am Elbufer der historischen Stadtinsel im niedersächsischen Hitzacker.
Warten auf die Flut in Hitzacker
Der Pegel der Elbe ist das bestimmende Thema im niedersächsischen Hitzacker. Wann die Flut die Stadt an der Elbe erreicht, ist noch unklar. Die Bewohner schwanken zwischen Hoffen und Bangen - und richten sich auf alles ein.
08.06.2013
epd
Karen Miether

Pastor Jens Rohlfing hat schon die unteren Regale seiner Bücherborde abmontiert. Helfer haben seinen Schreibtisch auf Holzböcke gehievt. Und die St. Johanniskirche nebenan ist sogar komplett leergeräumt. Denn hier auf der historischen Stadtinsel von Hitzacker könnte demnächst das Hochwasser der Elbe eindringen.

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Noch ist ungewiss, mit welcher Höhe es die niedersächsische Kleinstadt treffen wird, und ob die Hochwasser-Schutzwand direkt hinter dem Pfarrhaus die Flut abhalten kann.

Doch wie alle Bewohner will auch der evangelische Pastor Rohlfing vorbereitet sein. "Ich gehe davon aus, dass das Wasser nicht kommt", sagt er. "Aber es bleibt ein komisches Gefühl." Die Elbe jenseits der Schutzmauer wirkt noch idyllisch. Die Sonne lacht. Doch die Lage bleibt bedrohlich. Entwarnung geben die Behörden nicht. Die Menschen in Hitzacker schwanken am Freitag zwischen Hoffen und Bangen. Auf welche Pegelstände die Elbe ansteigen wird, ist das bestimmende Gesprächsthema.

Das Wasser könnte lange bleiben

Die Prognosen schwanken, zuletzt wurden sie nach unten korrigiert. Im Laufe der nächsten Woche rechnen Behörden mit dem Höchststand. Von acht Metern geht der Landkreis Lüchow-Dannenberg aus. Die mobile Schutzwand in Hitzacker halte bis zu neun Meter, sagt Pressesprecher Jens Christ von der Feuerwehr der Samtgemeinde Elbtalaue. Doch den Vorhersagen zufolge könne das Wasser bis zu 14 Tage stehen bleiben. "Die lange Verweildauer ist das Kritische."

Jens Rohlfing, Pastor in Hitzacker, auf dem Elbdeich, der die Flut abhalten soll.

Familie Rohlfing ist darauf gefasst, ihr Haus in den nächsten Tagen zu verlassen und zu Freunden zu ziehen - so wie die meisten Bewohner der von der Elbe und ihrem Nebenfluss Jeetzel umgebenen Stadtinsel von Hitzacker. Die Anordnung, nach der die rund 260 Bewohner bis Sonntag den Stadtkern verlassen sollten, ist zunächst ausgesetzt. "Es wird aber empfohlen, freiwillig zu gehen", erläutert der stellvertretende Stadtdirektor René Kern.

Bei einem Pegelstand von 7,76 Metern müssten alle evakuiert werden, zur Sicherheit. Gefahr besteht zum Beispiel dann, wenn Treibgut ein Loch in die Hochwasserwand reißt. Boote sollen ab Sonntag patrouillieren, um das zu verhindern.

Die Einwohner üben sich in Gelassenheit

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Die Bewohner bemühen sich derweil um Gelassenheit. Wie Gertrud Hennicker-Pallasch haben sie bereits Erfahrungen mit dem Hochwasser. Die 91-Jährige zeigt Bilder aus früheren Jahren, als das Wasser bis vor ihre Tür schwappte. Ihre Teppiche hat sie in Folie verpackt, sie sollen noch in den ersten Stock gebracht werden. Eine Tasche mit dem Nötigsten steht bereit, falls sie zu Bekannten ziehen muss.

"Ich bleibe bis zuletzt hier, aber ich bin auch bereit, falls etwas ist", sagt sie. Mit Sandsäcken und Baufolie sichert derweil ihr Sohn Helmut Pallasch die Vorderfront seines Fachwerkhauses ab. "In früheren Jahren hat das geholfen", versichert er.

Auch der Leiter des Museums "Altes Zollhaus", Klaus Lehmann, verbreitet Gelassenheit. Sein Privathaus liegt direkt hinter der mobilen Hochwasserschutzwand an der Elbe. "Man muss optimistisch bleiben", sagte er zu den Freiwilligen, die ihm helfen, im Museum die historischen Akten zu sichern. Mehr als 30 Leute haben sich eingefunden, schnell sind 180 Kartons in den ersten Stock geschafft. Mancher, der hier mit anpackt, hat vorher anderswo Sandsäcke gefüllt. Viele tausend Helfer sind an der niedersächsischen Elbe unermüdlich im Einsatz.

In Bleckede, 30 Kilometer flussabwärts von Hitzacker, lädt die Kirche jetzt jeden Abend zu Andachten ein. In den Gebeten wird dabei den Helfern gedankt, sagt der evangelische Superintendent Christian Cordes. "Wir denken an die Menschen, die die Flut schon erreicht hat, und die jetzt gegen den Schlamm in ihren Häuser kämpfen. Und wir beten, dass uns das erspart bleibt."