Leben im Pfarrhaus - "verbindlich und verlässlich"

Foto: epd-bild/Rainer Oettel
Die reinste Idylle: Das Pfarrhaus von Mulda an der Freiberger Mulde im Erzgebirge.
Leben im Pfarrhaus - "verbindlich und verlässlich"
Der Herr Pfarrer, seine Frau und die netten Kinder - Bilderbuchfamilie im deutschen Pfarrhaus. Doch heute gibt es auch die Pfarrerin mit ihrer Partnerin oder den Pfarrer mit seiner muslimischen Ehefrau oder die Patchwork-Pfarrfamilie. Die Gesellschaft verändert sich und mir ihr auch das Leben im Pfarrhaus. 2012 und 13 wurde intensiv über das neue Pfarrdienstgesetz der EKD diskutiert.

Gar nicht so einfach, ein Gesetz zu schreiben, das ins Schlafzimmer der Pfarrhäuser hineinregiert. Bisher hatten die Landeskirchen ihre eigenen Regeln, Anfang 2013 ist ein Konsens erzielt worden darüber, was in dem Beruf geht und was nicht. Schließlich sind Pfarrerinnen und Pfarrer Vorbilder – ob sie wollen oder nicht – und ihr Privatleben ist vom Dienst in der Gemeinde nicht zu trennen. Sie müssen jederzeit erklären können, wie ihre Lebensführung mit ihrer Verkündigung übereinstimmt. Viele Kirchenmitglieder meinen, bei nichtchristlichem oder gleichgeschlechtlichem Partner sei das schwierig, und ein Zusammenleben ohne Trauschein schicke sich für Pfarrerinnen und Pfarrer auch nicht.

Es geht um den Paragraphen 39 des Pfarrdienstgesetzes, der mit "Ehe und Familie" überschrieben ist. Die Absätze 1 und 2 lauten: "(1) Pfarrerinnen und Pfarrer sind auch in ihrer Lebensführung im familiären Zusammenleben und in ihrer Ehe an die Verpflichtungen aus der Ordination (...) gebunden. Hierfür sind Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitige Verantwortung maßgebend. (2) Pfarrerinnen und Pfarrer sollen sich bewusst sein, dass die Entscheidung für eine Ehepartnerin oder einen Ehepartner Auswirkungen auf ihren Dienst haben kann. Ehepartnerinnen und Ehepartner sollen evangelisch sein. Sie müssen einer christlichen Kirche angehören; im Einzelfall kann eine Ausnahme zugelassen werden, wenn zu erwarten ist, dass die Wahrnehmung des Dienstes nicht beeinträchtigt wird."

In welcher Lebensform auch immer...

Die Ehe ist die häufigste Form des Zusammenlebens im Pfarrhaus. "Ehe" steht schon in der Überschrift des Paragraphen und kann auch als Norm verstanden werden: Pfarrerinnen und Pfarrer sollten am besten verheiratet sein. Doch die Autoren des neuen Gesetzes haben den Begriff "Leitbild" für die Ehe sorgsam vermieden. Darin steckt zu viel Anspruch, den nicht alle Pfarrerinnen und Pfarrer erfüllen können oder wollen. Professor Jan Hermelink, Praktischer Theologe an der Universität Göttingen, hält es gegenüber älteren Pfarrdienstgesetzen für "einen relativen Fortschritt, dass dieser normative Aspekt zurückgenommen wird."

Die Formulierungen in Absatz 1 findet Hermelink "relativ gelungen", weil sie ziemlich offen sind. "Es wird ja versucht, das inhaltlich zu fassen, also mit den Stichworten Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, gegenseitige Verantwortung." Simone Mantei sieht das ähnlich. Sie beschäftigt sich als Pfarrerin und Wissenschaftlerin an der Universität Mainz mit Pastoraltheologie und Frauenforschung und meint, die genannten Grundsätze seien "an kein Rechtsinstitut gebunden, sondern sollten für alle Christen und Christinnen Maximen zur Gestaltung ihres Zusammenlebens (in welcher Lebensform auch immer) sein".

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind in Absatz 1 mit gemeint, auch wenn das - absichtlich - nicht so deutlich drin steht. Damit steht den Landeskirchen eine Hintertür für oder gegen die "Homo-Ehe" offen. Die brauchen sie auch, denn über gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Die Landeskirchen können in eigenen, zusätzlichen Gesetzen regeln, was für sie geht und was nicht.

Reformierter Pfarrer: "Dieser Satz ist rassistisch!"

In der sächsischen Landeskirche wäre es über die Frage der Homo-Ehe beinahe zur Kirchenspaltung gekommen: eine Gruppe von evangelikal-konservativen Christen hatte heftig protestiert. In Württemberg sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Pfarrhaus grundsätzlich nicht erlaubt - nur ausnahmsweise auf Antrag. In Hessen-Nassau kann man sich über so etwas nur wundern: "Wir sind schon relativ liberal im Multikulti-Rhein-Main-Gebiet", sagt Pressesprecher Stephan Krebs. Professor Hermelink hält dazu fest: "Theologisch-ethisch ist es sehr schwierig zu begründen, warum nicht ein lesbisches Pfarrerinnenpaar genauso gut im Gemeindepfarramt sein kann wie ein heterosexuelles."

Nicht weniger heftig wird der Streit um Absatz 2 geführt: "Ehepartnerinnen und Ehepartner sollen evangelisch sein. Sie müssen einer christlichen Kirche angehören (...)" Theus Bracht, ehemaliger Vorsitzender des Vereins der Pastorinnen und Pastoren der Reformierten Kirche, meint: "Dieser Satz ist rassistisch!" Es könne doch nun einmal passieren, dass ein Pfarrer oder eine Pfarrerin sich in einen Atheisten oder eine Muslimin verliebt. In Württemberg verlor eine Vikarin ihre Stelle, nachdem sie einen Muslim geheiratet hatte – sie durfte ihre Ausbildung in Berlin fortsetzen. Die Reformierte Kirche hätte den gesamten Absatz 2 gern aus dem Gesetz gestrichen.

Mittlerweile haben fast alle Landeskirchen sowie die Union Evangelischer Kirchen (UEK) und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) dem Pfarrdienstgesetz zugestimmt und es gilt seit dem 1. Januar 2013, in der Nordkirche seit dem 1. April 2014.

Eine Landeskirche will das neue Gesetz der EKD ausdrücklich nicht übernehmen: Bremen. Die Synode der Bremischen Evangelischen Kirche ist der Ansicht, dass die Gemeinden selbst über ihre theologische Haltung zur Lebensform der Pfarrerinnen und Pfarrer entscheiden dürfen. Was in Paragraph 39 stehe, habe "nach Auffassung einiger Pastorinnen und Pastoren nichts zu tun mit der Realität, die sie in Ihren Stadtteilen vorfinden, zum Beispiel in Brennpunkten, wo es multireligiöse Patchworkfamilien gibt", sagt Pressesprecherin Sabine Hatscher. Auch die eher missionarisch ausgerichteten Gemeinden in Bremen seien mit den Formulierungen im neuen Dienstrecht nicht einverstanden gewesen. "Nach unserer Verfassung ist das Angelegenheit der Gemeinden. Deshalb haben wir weiterhin ein eigenes Gesetz", so Hatscher.

Die Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz hat im November 2012 das EKD-Pfarrdienstgesetz übernommen und den Satz eingefügt: "Lebensgemeinschaften, die als Alternative zur Ehe verstanden werden oder verstanden werden können, sind mit dem Pfarrdienst nicht zu vereinbaren." Das bedeutet: "Wilde Ehe" geht nicht, eingetragene Lebenspartnerschaften aber sehr wohl.

"Gehen wir in der Welt? Oder sind wir nur noch Himmel?"

Wenn die Unterschiede in den Landeskirchen so groß sind – wozu soll es überhaupt ein einheitliches, EKD-weites Pfarrerdienstrecht geben? Pfarrer Thomas Jakubowski, scheidender Vorsitzender des Verbandes Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer, begrüßt die Initiative zunächst einmal: "Man möchte eine höhere Verbindlichkeit der juristischen Begriffe, damit die Rechtspflege leichter wird." So ähnlich ordnet Jan Hermelink von der Uni Göttingen das Gesetz ein: "Ein Recht hat ja immer dann einen Sinn, wenn es darum geht, Konflikte zu regeln. Und da es immer wieder Konflikte gibt bei der Frage nach Ehe und Familie, ist es schon sinnvoll, Grundsätze zu formulieren."

Simone Mantei von der Uni Mainz hat dazu eine andere Meinung. Die Kirche solle sich nicht so stark ins Private einmischen – zumindest nicht per Gesetz. "Dienstrechtlich tut sie gut daran, sich aus den Schlafzimmern ihrer Mitarbeitenden zurückzuziehen. Ihre Aufgabe besteht meines Erachtens darin, den Pfarrern und Pfarrerinnen berufsethische Normen zu vermitteln. Das Privatleben ist nicht egal für ihren Beruf, aber das Bewusstsein dafür gehört primär in den Bereich der Professionsethik und nicht des Dienstrechts", sagt Mantei. Besonders in der Begründung des Paragraphen 39, wo von einer "Dienstpflicht zu einem Zusammenleben in Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und gegenseitiger Verantwortung" die Rede ist, wurde nach ihrer Ansicht "definitiv Dienstrecht mit Berufsethos verwechselt".

In eine ähnliche Richtung geht die Kritik von Thomas Jakubowski: "Man hat nicht zuerst theologisch überlegt, was hinter dem Pfarrerberuf steht, sondern sofort juristisch gedacht." Das Thema sei schwierig für die Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie erlebten so viel mehr als "Vater-Mutter-Kind", könnten auch gar nicht anders – und spürten dabei doch oft den Druck "christlicher" Normen, der auf ihrem Beruf und Familienleben laste. Jakubowski überlegt, was theologisch dahinter stecken könnte: "Brauchen Pfarrer eventuell auch ein Gegenbild zur Welt, eine Vision, zum Beispiel was Dauerhaftigkeit und Treue in Beziehungen angeht? Gehen wir in der Welt? Oder sind wir nur noch Himmel?"

Dieser Artikel erschien in einer ersten Fassung am 17.09.2012 und wurde im Oktober 2016 zuletzt aktualisiert.