Über 650 Minderjährige misshandelt und missbraucht

Passauer Dom St. Stephan
Tobias C. Köhler/dpa
Der Passauer St. Stephan Dom ist ein Wahrzeichen des Bistums Passau.
Studie zum Bistum Passau
Über 650 Minderjährige misshandelt und missbraucht
Im Bistum Passau sind laut einer Studie über Jahrzehnte hinweg Hunderte Minderjährige von Klerikern missbraucht und misshandelt worden. Das hat jetzt eine Studie ermittelt. Bischof Oster bittet die Betroffenen "in großer Hilflosigkeit" um Verzeihung.

Mindestens 672 Kinder und Jugendliche seien seit 1945 schweren Übergriffen durch Priester ausgesetzt gewesen, sagte der Leiter der "Studie zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt an Minderjährigen im Bistum Passau", Marc von Knorring, in einer am Montag veröffentlichten Stellungnahme.

Ermittelt wurden 154 Beschuldigte oder überführte Täter. Drei Jahre lang hatte ein Forscherteam der Universität Passau an der Studie gearbeitet. Bischof Stefan Oster sprach von einem massiven Versagen der Kirche. Forschungsleiter Knorring sagte, es sei geschehen, "was niemals hätte geschehen dürfen": "Die Opfer leiden ein Leben lang an den Folgen."

Die laut Studie 154 Beschuldigten oder überführten Täter seien nicht allein verantwortlich gewesen. Verantwortlich waren nach den Erkenntnissen der Forscher "bestimmte Denk- und Handlungsweisen innerhalb des Systems Kirche". Das habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass "eine Reihe von Bischöfen und Generalvikaren in zahlreichen Fällen den Schutz der Institution Kirche und der Priesterschaft über das Wohl von Betroffenen stellten".

Bischof Oster: Kirche war blind für Betroffene

Bischof Oster bezeichnete es als Skandal, dass Kirchenverantwortliche ihre "Institution schützen", "gnädig mit Tätern" sein wollten und dabei "blind für die betroffenen Kinder und Jugendlichen" gewesen seien. Diese "Kultur des Schweigens" wurde laut Oster gestützt "durch ein kirchliches und gesellschaftliches Milieu", in dem den minderjährigen Opfern von sexueller und körperlicher Gewalt entweder nicht geglaubt oder die Taten tabuisiert wurden. Der Bischof bat die Opfer "in großer Hilflosigkeit" um Verzeihung, "weil vieles einfach nicht wiedergutzumachen" sei.

Seit Herbst 2022 hatte ein Forschungsteam der Uni Passau unter Leitung des Historikers Knorring an der Studie zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt an Minderjährigen im Bistum Passau gearbeitet. Ende November wurde die Studie mit dem Titel "Sexueller Missbrauch und körperliche Gewalt. Übergriffe auf Minderjährige durch katholische Geistliche im Bistum Passau 1945 bis 2022" der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, dem Unabhängigen Betroffenenbeirat und dem Passauer Bischof Oster übergeben. Seit Montag ist die 400 Seiten starke Studie öffentlich.