TV-Tipp: "Friesland: Geisterstunde"

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13. Dezember, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Friesland: Geisterstunde"
Geisterstunde" ist ungewohnt männerlastig. Zum Ausgleich hat Drehbuchautor Stefan Rogall die Rolle von IT-Spezialistin Kim (Veronique Coubard) aufgewertet. Die Informatikerin darf sich auf gleich drei Ebenen tummeln.

Der zentrale Kern jedes Krimis ist ein schwarzes Loch; um diese Leerstelle kreist die gesamte Handlung. In der Regel markiert sie den Beginn der Geschichte: Jemand wird ermordet. Insofern fällt der 24. "Friesland"-Krimi schon mal aus dem Rahmen, denn "Geisterstunde" beginnt nicht mit einem Todesfall, sondern mit einem Arztbesuch: Aus einem auch im weiteren Verlauf nicht näher erörterten Grund ist Hauptkommissar Brockhorst (Felix Vörtler) am späten Abend im örtlichen Bestattungsinstitut aufgetaucht.

Weil Inhaber Habedank (Holger Stockhaus) nicht ahnen konnte, wer ihm da zu nächtlicher Stunde die Aufwartung macht, hat der Besuch für den Polizisten ein schmerzhaftes Ende genommen; und deshalb haben sich die beiden nun in der Notdienstpraxis eingefunden. Was wie ein Prolog wirkt, dessen Vorgeschichte anschließend in langer Rückblende erzählt wird, ist letztlich bloß ein Vorwand, um zwei Figuren einzuführen: Die Praxis gehört dem alten Mommsen, einem erfahrenen Arzt, der ständig an seiner Juniorpartnerin herumnörgelt.

Am nächsten Tag entdeckt Habedank beim gemeinsamen Joggen mit Apothekerin Harms (Tina Pfurr) die Leiche des Doktors: Sein Strandsegler ist sabotiert worden, den Unfall hat er nicht überlebt; der Exitus beschert dem Film die erste Leerstelle. Die zweite betrifft den Trenchcoat von Brockhorst: Das etwas in die Jahre gekommene gute Stück ist sein Markenzeichen, aber seit dem Besuch in der Praxis verschwunden. Prompt ist der Polizist nicht nur physisch lädiert, sondern auch mental neben der Spur.

Er spricht es zwar nicht aus, doch es ist ihm anzusehen: Ohne den Mantel fühlt er sich nackt. Später wird er einräumen, dass so ein Kleidungsstück auch einen Schutz darstellt, ähnlich wie der Schatten des Vaters, in dem Mommsens Tochter Alrike (Christina Hecke) aufgewachsen ist. Weil Brockhorst mitbekommen hat, wie die Ärztin von dem Alten gegängelt worden ist, betrachtet er sie prompt als Hauptverdächtige: Er glaubt, sie habe den Nörgler aus dem Weg geräumt, um endlich nach eigenem Gutdünken in der Praxis schalten und walten zu können.

Die Leerstellen drei und vier sind weiblicher Natur: Apothekerin Insa Scherzinger, die ehemalige Chefin von Melanie Harms, hat ihre friesischen Zelte zum großen Bedauern Habedanks abgebrochen. Weil Brockhorst, der seinen Mitarbeiter Henk Cassens (Maxim Mehmet) ähnlich piesackt wie Vater Mommsen seine Tochter, die Kollegin Özlügül ans benachbarte Revier auf Langeoog ausgeliehen hat, ist "Geisterstunde" ungewohnt männerlastig.

Zum Ausgleich hat Drehbuchautor Stefan Rogall die Rolle von IT-Spezialistin Kim (Veronique Coubard) aufgewertet. Die Informatikerin darf sich auf gleich drei Ebenen tummeln. In der Gegend gab es zuletzt erstaunlich viele Fälle von Cyber-Kriminalität: Jemand hackt sich in die Computer von Arztpraxen und erpresst sie dann; auch Mommsen war betroffen. In Verdacht gerät zumindest aus Publikumssicht recht bald ein junger Mann, der sich Habedank als Aushilfe angedient hat: Tom (Adrian Julius Tillmann) war wegen eines ganz ähnlichen Delikts im Gefängnis. In Leer ist er allerdings aus einem anderen Grund; und der heißt Kim.

Seinen Titel verdankt der Film einem weiteren Handlungsstrang, und auch hier ist Kim involviert, weil Cassens sie als "Undercover"-Ermittlerin einsetzt: Reela Linnewever (Katharina Heyer) vermietet und wartet Strandsegler, Mommsens Gefährt war bei ihr gelagert, weshalb auch sie zum Kreis der Verdächtigen zählt. Dagegen spricht, dass Mommsen ihr bester Kunde war: Die esoterisch bewegte Frau lädt regelmäßig zu abendlichen Séancen, bei denen der Arzt den Kontakt zu seiner verstorbenen Gattin suchte. Kim nimmt in Cassens’ Auftrag an einer Sitzung teil und entlarvt die Jenseitskontakte umgehend als geschickten Betrug.

Regie führte Sarah Winkenstette. Ihr Kinodebüt "Zu weit weg" (2020) war ein berührender Familienfilm über zwei Jungs, die auf unterschiedliche Weise ihre Heimat verloren haben. Ihre bisherigen Arbeiten fürs Fernsehen waren ebenfalls sehenswert: "Ein Sommer an der Moldau" (2020, ZDF), ein romantisches Melodram über eine Berliner Privatdetektivin, die in Tschechien ihr Leben überdenkt, und "Rückkehr nach Rimini" (2022, ARD), eine heiter-melancholische Komödie über drei Männer, die nach fünfzig Jahren noch mal ihren einstigen Sehnsuchtsort besuchen. Diese Stimmungen finden sich auch in "Geisterstunde" wieder. Der Humor des insgesamt sehr sympathisch inszenierten Krimis ist trotz einiger sehr witziger Dialoge ohnehin eher hintergründig, was ihm aber einen besonderen Reiz verleiht.