Die meisten Filmgattungen sind männlich geprägt. Das gilt abgesehen von geschlechtsneutralen Begriffen wie "Krimi" oder "Komödie" auch für die Genre-Bezeichnungen. "Gangsterinnenfilm" klingt ohnehin viel zu sperrig, zumal die entscheidenden Rollen in der Regel mit Männern besetzt sind. In dieser Hinsicht stellt "Gar kein Geld macht auch nicht glücklich" eine rühmliche Ausnahme dar, selbst wenn es zunächst den Anschein hat, als wäre die zentrale Figur doch wieder bloß ein Opfer: Die Heldinnen sind drei starke Frauen.
Der Film beginnt mit einem Prolog im Keller einer Bank: Ein diebisches Trio sucht ein ganz bestimmtes Schließfach. Weil den Dreien die Zeit davonläuft, werden sie ertappt und kommen ins Gefängnis. Fünf Jahre später setzt die eigentliche Handlung ein, und nun verrät Regisseur Jonas Grosch, dessen Drehbuch auf einer Vorlage von Maike Rasch basiert, auch die Vorgeschichte.
Kim Hansen (Katharina Wackernagel) war als Biochemikerin maßgeblich an der erfolgreichen Suche nach einem HIV-Impfstoffs beteiligt. Sie hatte hehre Pläne und wollte das Serum den Menschen im globalen Süden kostenlos zur Verfügung stellen. Ihrem gierigen Chef, Christian Heisinger (Christoph Bach), Besitzer eines großen Pharma-Unternehmens, passte das gar nicht, also hat er die Formel kurzerhand als seine eigene Entdeckung ausgegeben. Die clevere Kim hat allerdings auf dem von ihr entwickelten Protein die Signatur ihrer DNS hinterlassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Bei dem Banküberfall zu Beginn suchte sie nach einem Stick, der die entsprechenden Daten enthält. Dieser Stick befindet sich nun in einem Safe in Heisingers Büro. Wenige Tage nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis will der Konzernchef die Zulassung des Medikaments mit geladenen Gästen feiern; genau der richtige Zeitpunkt, um seinen Betrug zu entlarven. Dafür braucht Kim jedoch die Daten, und deshalb entwickelt sie einen Plan von eindrucksvoller Raffinesse, um die Sicherheitsvorkehrungen auszutricksen.
Im Englischen heißen solche Filme "Heist-Movie" oder "Caper-Movie", zu deutsch "Raubüberfall-" oder "Gaunerfilm". Beide Spielarten zeichnen sich durch ihre Konzentration auf den Coup aus, er bildet den Mittelpunkt der Handlung. Die Hauptfiguren sind in der Regel sympathisch, so wie damals in dem Hollywood-Klassiker mit dem abschreckenden deutschen Titel "Frankie und seine Spießgesellen" (1960, mit Frank Sinatra). Die Neuverfilmung mit George Clooney trug auch hierzulande den Originaltitel "Ocean’s Eleven" (2001), aber Vorbild für "Gar kein Geld macht auch nicht glücklich" war selbstredend die weibliche Variante, "Ocean’s Eight" (2018, mit Sandra Bullock).
Natürlich musste Grosch mit einem Bruchteil des Budgets auskommen, aber das macht die stellenweise furiose und entsprechend aufwändig wirkende Bildgestaltung (Fabian Spuck) wieder wett. Optisch ist ständig was los; schon allein diese Rasanz ist äußerst ungewöhnlich für einen Fernsehfilm. Die agile Kamera, die häufigen Perspektivwechsel und der flotte Schnitt sind jedoch kein Selbstzweck: Gas gibt Grosch nur dann, wenn’s inhaltlich angebracht ist, etwa beim Auftakt, wenn sich Zeitlupe und "Crash Zooms" in die extreme Nahaufnahme virtuos abwechseln.
Die zweite Stärke des Films sind die Figuren. Als Betrugsopfer kann sich Kim ohnehin auf die Solidarität des Publikums verlassen. Nun muss sie nur noch ihre Halbschwestern Lesley und Olivia (Julia Becker, Sara Fazilat) dazu bringen, sie erneut zu unterstützen; die beiden haben allerdings überhaupt keine Lust, noch mal eine Gefängnisstrafe zu riskieren.
Zumindest Lesley, eine begnadete Taschendiebin, ist dann aber doch mit von der Partie: Der gemeinsam mit ihrem Freund (Jacob Matschenz) betriebene Imbiss ist pleite, das Paar braucht dringend Geld, und wenn Kim erst mal wieder Heisingers Teilhaberin ist, sind Umsätze in mindestens mehrfacher Millionenhöhe garantiert. Olivia sträubt sich etwas länger, aber schließlich findet Kim einen cleveren Weg, um auch sie zu überzeugen.
Der Film erfreut durch viele unerwartete Wendungen, weil Grosch, Wackernagels jüngerer (Halb-)Bruder, nicht immer alles verrät. Das gilt auch für die beiden Männer (Marc Hosemann, Milan Peschel), die Heisingers Firmensitz observieren; bis zum Schluss bleibt völlig offen, welche Rolle das schräge Duo in dieser Geschichte spielt. Entscheidenden Anteil am guten Ausgang hat jedoch Kims Nachbar Niels (Alexander Khuon): Der Polizist entpuppt sich schließlich in der Tat als Freund und Helfer. Unbedingt zu erwähnen ist auch Komponistin Lisa Morgenstern: Wie in allen Filmen dieser Art legt die Musik ein enormes Tempo vor.



