Die "unfreiwillige" Reise von St. Nikolaus übers Meer

Basilica San Nicola im süditalienischen Bari
Alexandra Barone
Die Basilica San Nicola steht in der Altstadt von Bari, unweit des Meeres, von wo die Fischer die geraubten Reliquien aus Myra brachten.
Nikolaus-Reliquien in Bari
Die "unfreiwillige" Reise von St. Nikolaus übers Meer
Alle kennen den Nikolaus, nicht zuletzt durch den bekannten amerikanischen Getränkehersteller hat der weißbärtige Senior seinen weltweiten Erfolg gefeiert, vor allem bei den Kindern. Doch die Wenigsten wissen, dass Nikolaus aus der heutigen Türkei stammte und er nach seinem Tod eine wichtige Reise übers Meer antrat. evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone berichtet.

Dass der Nikolaus eigentlich aus der heutigen Türkei stammt und seine Gebeine im süditalienischen Bari ruhe, ist Kindern gleich. Pünktlich am 06. Dezember jeden Jahres füllt er ihnen die Strümpfe mit kleinen Geschenken und Süßigkeiten.

Aber warum gerade am 6. Dezember? "Das traditionelle Fest, am 6. Dezember, wird am Todestag des Heiligen Sankt Nikolaus gefeiert", erklärt Rosanna Bianco. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bari beschäftigt sich mit der Geschichte der Stadt und den Volksbräuchen. "Die 'Marke' Sankt Nikolaus wurde im 17. Jahrhundert durch holländische Auswanderer nach Amerika importiert. Dort gab ihm dann 1931 die amerikanische Firma Coca-Cola den letzten Schliff: die rot-weiße Mütze und den Mantel." Der Weihnachtsmann ist somit kein anderer als Sankt Nikolaus. Aber wer ist er und wie kommt er überhaupt nach Bari?

Sankt Nikolaus wurde in Patara geboren und wirkte als Bischof in Myra Nikolaus in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in der kleinasiatischen Region Lykien, damals griechischsprachiger Teil des römschen Reichs (heute der Türkei). "Sein griechischer Name Nikólaos bedeutet "Sieg des Volkes" und war bereits in vorchristlicher Zeit gebräuchlich", heißt es auf Wikipedia

"Die Daten über das Leben von Nikolaus sind sehr vage", weiß Rosanna zu berichten. Der heilige Andreas von Kreta und Johannes vom Studitenkloster berichteten, Nikolaus habe am Konzil von Nicäa teilgenommen und dort seinen Widersacher Arius geohrfeigt. Deshalb sei er zuerst verhaftet, gegen Ende des Konzils aber rehabilitiert worden. Nikolaus ist nicht in der Unterzeichner-Liste von Nicäa enthalten, die allerdings unvollständig überliefert ist.  

Gebeine wurden kurzerhand geraubt

"Sicher ist, dass er als Bischof von Myra viele Wunder vollbracht hat", weiß Rosanna zu berichten. Sicher ist auch, dass Patara und Myra zu diesem Zeitpunkt wichtige Städte im Reich von Byzanz waren, dessen Gebiete sich bis zum ersten Jahrtausend nach Christus bis nach Süditalien ausdehnten. Und hier kommt Bari ins Spiel, wo er heute als Stadtheiliger verehrt wird.

Die süditalienische Stadt in Apulien spielte damals eine sehr wichtige Rolle als Hafen und Handelsstadt. Mit der Invasion durch die Normannen 1071 und dem Abzug der Byzantiner drohten auch die guten Handelsbeziehungen in den Südosten abzubrechen. Für die Baresi war klar: es muss etwas geschehen! 

Die Wunder von Nikolaus waren bekannt, der Heilige wurde damals schon überall auf der Welt verehrt. Nikolaus war somit im Jahre 1000 einer der wichtigsten Heiligen der Welt. Seine Reliquien zu besitzen hieß, Tausende von Pilgern anzuziehen und den Handel mit dem Osten aufrecht zu halten. "Gemeinsam mit dem Klerus organisierte der Adel eine Raubfahrt", erklärt Rosanna Bianco. Am 09. Mai 1087 kamen die 62 italienischen Seefahrer erfolgreich von ihrer Mission zurück: sie hatten die Gebeine des Heiligen Nikolaus aus Myra geraubt.   

Fischer raubten die Reliquien des Heiligen Nikolaus und brachten sie nach Bari, um Tausende von Pilgern anzuziehen und den Handel mit dem Osten aufrecht zu halten.

Eigens für diese kostbaren Reliquien wurde in rund zehn Jahren die imposante Basilica San Nicola gebaut, auf den Ruinen der ehemaligen Residenz des byzantinischen Stadthalters. Während der Kreuzzüge spielte Bari wieder eine sehr wichtige Rolle. Viele der Ritter und Pilger machten halt in der süditalienischen Stadt, bevor sie das Heilige Land betraten. Auch im Mittelalter nahm die Bedeutung der Stadt kaum ab. Viele Pilger schenkten Gaben, die man heute in einem Museum besichtigen kann. "Im 16. Jahrhundert wurde sogar die polnische Königin Bona Sforza in der Basilika beigelegt", erzählt Rosanna Bianca. "Genau über der Krypta, in der die Gebeine von San Nicola liegen." 

Zwar hat die Bedeutung der Stadt im Laufe der Jahre abgenommen, doch die Tradition ist geblieben. Unweit der Basilika San Nicola bieten zahlreiche Stände, Nikolaus-Andenken an: es gibt Nikolaus-Tassen, Nikolaus-Plätzchen, sogar Nikolaus-Pasta. Und wer noch nicht genug hat, der kann am 6. Dezember nach Bari reisen, dort werden bereits frühmorgens um 4 Uhr die Pforten der Basilika geöffnet. Nach einer Prozession, mit der Statue des Heiligen, durch die Altstadt von Bari wird eine Messe gefeiert und auch vor der imposanten Nikolaus-Statue gebetet. 

"Die Nikolaus-Statue steht direkt vor dem Stadttor – das ist strategisch wichtig", weiß Rosanna zu berichten. Vor allem für die gläubigen aus der Altstadt von Bari, die darauf bestehen, dass San Nicola, wie er auf Italienisch heißt, genau kontrolliert, wer die Stadt betritt. Die Feierlichkeiten am 6. Dezember sind für die Pilger sicherlich wichtig, doch für die Baresi ist der Mai noch wichtiger. Vom 07. – 09. Mai wird nämlich die Ankunft von San Nicola in Bari gefeiert und die Stadt steht Kopf. Das Meer vor der Basilika ist dann voll von kleinen Fischerbooten, denn die Bewohner der Altstadt berichten stolz, dass es einfache Fischer und Händler waren, die unter Einsatz ihres Lebens den Heiligen in die Stadt geholt hätten, von Raub ist dann nicht die Rede.

In der Krypta des Basilica San Nicola steht das Grab des Heiligen, das jedes Jahr vor allem Pilger aus Osteuropa anzieht,

Für die Pilger ist das gleich, da gibt es keine Saison und keine bestimmten Feierlichkeiten. Auch an einem sonnigen Novembertag ist die Basilika voll mit Touristen und Pilgern aus dem Osten. Man hört Rumänisch, Polnisch, Griechisch und sogar Russisch. Seit dem Fall der Mauer kommen viele orthodoxe Russen nach Bari, weiß Paolo, der den Geistlichen hilft, in der Basilika für Ordnung zu sorgen – wenn es mal zu voll wird.

In Bari stehe auch eine der wenigen russisch-orthodoxen Kirchen Italiens und in der Krypta der Basilika San Nicola könnten die Orthodoxen jederzeit ihre Messen feiern, so Paolo. "Wir freuen uns, wenn der Heilige länderübergreifend Religionen vereint. Das wäre bestimmt auch in seinem Sinne gewesen." So wie vielleicht auch, nach einer langen Reise übers Meer seine letzte Ruhestädte in Bari zu haben...