Spanische Jugend blickt positiv auf Diktatur

Spanische Fahnen werden geschenkt zu Ehren des Ex-Diktators Francisco Franco
Emilio Rappold/dpa
Spanien blickt in diesem Jahr besonders auf die Ära der Franco-Diktatur zurück. Die endete nämlich vor genau 50 Jahren mit dem Tod des Herrschers am 20. November 1975.
50 Jahre nach Franco-Tod
Spanische Jugend blickt positiv auf Diktatur
Als der spanische Herrscher Franco 1975 starb, endeten auch 36 Jahre Diktatur. Viele Verbrechen der Franco-Zeit sind noch heute nicht aufgearbeitet. Historiker kämpfen gegen das Vergessen, unter den Jungen wächst die Zustimmung zu den Ultrarechen.

Spanien schaut in diesem Jahr zurück auf die 36 bleiernen Jahre Herrschaft des Diktators Francisco Franco (1892-1975), denn dessen Todestag jährt sich am 20. November zum 50. Mal. Nach dem Ende der Diktatur entschied die junge Demokratie, einen "Schlussstrich" unter die Vergangenheit zu ziehen, es gab ein Amnestiegesetz. Heute kämpfen Historiker und Zeitzeugen gegen das Vergessen - und gegen eine neue Franco-Begeisterung unter Jugendlichen.

Mit einem Putsch gegen die demokratische Republik hatten Franco und weitere Militärs den Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) ausgelöst. Viele fielen der Repression hinter den Fronten zum Opfer: Linksgerichtete Milizen ermordeten während des Krieges rund 50.000 Menschen, hat der spanische Historiker Angel Viñas dokumentiert, die Anhänger Francos fast dreimal so viel, 140.000 Menschen. Und nach Francos Sieg im Bürgerkrieg wurden während der Diktatur weitere 48.000 Regimegegner getötet, die letzten fünf wurden im September 1975 hingerichtet, nur wenige Wochen vor seinem Tod.

20 Prozent der jungen Leute sagen: Diktatur war eine gute Zeit für Spanien
Doch trotz aller Gewalt und Repression verehren manche Spanier den alten Diktator noch heute. "Ein Hoch auf die, die uns die Freiheit und Würde zurückgegeben haben, die uns die Linken entrissen haben", sagt zum Beispiel Javier García Isac, der ein rechtes Internetportal betreibt. Franco habe niemanden hingerichtet, ruft er auf den gut besuchen Veranstaltungen der Nostalgiker des Regimes. Zornig fordert er ein Verbot der PSOE, der Partei des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez.

Denn die linksgerichtete Koalitionsregierung Spaniens hat einen Verbotsantrag gegen die Francisco Franco-Stiftung eingereicht, die einen Teil des Nachlasses des Diktators verwaltet. Ihr Ziel, schreibt die Stiftung scheinbar neutral auf ihrer Webseite, sei, die Studien zu Franco zu fördern. Franco sei die Lösung aller Probleme Spaniens gewesen, erklärt der Stiftungsvorsitzende und ehemalige Infanterie-General Juan Chicharro.

Einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS zufolge erklären 20 Prozent der unter 25-Jährigen, die Diktatur sei eine gute oder sehr gute Zeit für Spanien gewesen. Besonders auffallend in der Umfrage: Der Anteil der Sympathisanten für Francos Regime geht generell weiter zurück, je jünger die Befragten werden. Nur bei der jüngsten Gruppe - also den unter 25-Jährigen - steigt er wieder. Und 30 Prozent der Spanier unter 25 gaben an, sie wollten die ultrarechte Partei Vox wählen.

Politologe: Franco-Zeit kaum Thema in Schulen

Der spanische Politikwissenschaftler Guillermo Fernández-Vázquez warnt: "Spaniens Jugend ist für die Franco-Propagandisten wie ein unbestelltes Feld." Denn die Schulen wichen dem Thema aus. "Der Lehrplan beginnt bei den Westgoten im achten Jahrhundert. Am Ende wäre dann die Diktatur dran, aber oft ist dann keine Zeit mehr dafür", sagt der Hochschulprofessor von der Carlos III-Universität in Madrid.

Fotografie von Francisco Franco, circa 1939

So werden Social-Media-Plattformen wie TikTok zur ersten Informationsquelle über die jüngere Geschichte, wie spanische Studierende im katholischen Wohnheim Chaminade in Madrid erzählen, wo Fernández-Vazquez ein Seminar zu Rechtsextremismus in Europa gibt. Franco-Sympathisanten finden sich hier keine, aber Studierende berichten, dass viele ihrer Altersgenossen weitergeben, was sie in sozialen Netzwerken so hören. Zum Beispiel, dass in der Diktatur nicht alles schlecht gewesen sei, es habe angeblich keine Wohnungsprobleme gegeben oder keine Korruption.

Fakten und Erinnerungskultur

"Ganz im Gegenteil", sagt hingegen der Historiker Fernando Hernández Sánchez, "Hunderttausende lebten in Slums und die Korruption war neben der Grausamkeit einer der Grundpfeiler des Regimes." Er ist Autor des Buchs "Francofacts": In Comics und klarer Sprache zeigt er, was heute jungen Menschen selbstverständlich ist, damals aber verboten war: unverheiratet zusammenleben, eng tanzen, als Frau ein Konto besitzen, Filme mit erotischen Szenen sehen oder den Wehrdienst verweigern. "Vielleicht", sagt Hernández Sánchez, "rückt das ja bei ein paar jungen Leuten ihr romantisches Bild der Diktatur zurecht."

Eines der vielen Opfer der brutalen Repression war Valerico Canales, 1939 wurde er von Franco-Anhängern in der Provinz Ávila ermordet und verscharrt. Als sein Sohn Fausto nach den Überresten des Vaters suchte, stellte er fest: Das Regime hatte die Gebeine 1958 exhumiert und kurz vor der Einweihung ins "Tal der Gefallenen" bei Madrid gebracht, so wie die von mehr als 33.000 weiteren Toten aus der Zeit des Bürgerkriegs und der Repression. "Wir sind darüber nicht einmal informiert worden", sagt Fausto, seine Familie habe nie Blumen an ein Grab bringen können. Jahrelang kämpfte er darum, dass die Gebeine exhumiert würden. Vor zwei Jahren konnte der 92-Jährige seinen Vater endlich in Würde auf dem Dorffriedhof von Pajares de Adajar in der Heimat bestatten.

Heute erzählt Fausto in einem Podcast, der sich gerade an junge Menschen richtet, von seinem Vater Valerico. Er möchte zu einer neuen Erinnerungskultur beitragen, wie er sagt: "Wir schließen damit Wunden, beenden die Konfrontation. Ohne schrille Töne, Revanchismus oder Hass. Das ist heilsam."