Für Stefanie Gerlach ist das Thüringer Modell der Stiftungspraxen der Grund, warum sie schon in diesem Herbst den Schritt in die ambulante Versorgung in Gräfentonna im Kreis Gotha gewagt hat. Die aus Erfurt stammende Fachärztin für Innere Medizin war lange im Krankenhaus tätig. Ihre Kinder seien noch klein, eine eigene Praxis erfordere jedoch die volle Aufmerksamkeit der Inhaberin.
"Ohne die Stiftung hätte ich mich vermutlich erst in einigen Jahren für den Weg in eine Niederlassung entschieden", sagt sie. Denn das bundesweit einzigartige Modell der "Stiftungspraxen" ermöglicht es Medizinern, zunächst als Angestellte, dabei aber weitgehend eigenverantwortlich zu arbeiten. Von Altenburg bis Zeulenroda-Triebes: Vor allem abseits der großen Städte werden in Thüringen niederlassungswillige Mediziner gesucht.
In Regionen mit ausgewiesenem Ärztemangel gründet eine Stiftung der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringens (Kvt) seit 2009 in Abstimmung mit interessierten Medizinern Praxen, richtet sie ein und betreibt sie über einen überschaubaren Zeitraum mit zunächst bei der Stiftung angestellten Ärzten. Laut dem Geschäftsführer der Stiftung Ambulante ärztliche Versorgung Thüringen, Jörg Mertz, soll das Modell Medizinern die Scheu vor den finanziellen Risiken einer Niederlassung nehmen.
Ziel sei der spätere Verkauf der Praxis an die angestellten Ärztinnen und Ärzte. Mit den dabei erzielten Einnahmen, Fördermittel des Freistaats sowie Gelder von Krankenkassen und Kvt könnten weitere Praxen eröffnet werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Mittel teilweise aus dem Honorarbudget der Thüringer Ärzteschaft stammten. Entsprechend sorgfältig müssten die Standorte ausgewählt werden.
Auch für ältere Ärzte interessant
Das bestätigt auch Stefanie Gerlach. Neben der finanziellen Entlastung sei für sie vor allem die Beratung und organisatorische Begleitung in der Gründungsphase entscheidend gewesen. Zudem nehme sie bei den Patienten den Wunsch wahr, dass möglichst junge Ärzte Praxen übernehmen, um die medizinische Versorgung über Jahrzehnte hinweg zu sichern.
Bislang sind so in 15 Jahren 20 Stiftungspraxen entstanden. Auch für ältere Mediziner kann das Modell attraktiv sein. So hat sich die Rheumatologin Barbara Knau - mit fast 60 Jahren - in einer Stiftungspraxis in Gotha anstellen lassen, nachdem ihr früherer Arbeitgeber frühzeitig aufgehört hatte. "Ich dachte immer, Studienpraxen gehen nur mit Hausarztpraxen oder jungen Kollegen. Und das bin ich ja nun beides nicht", sagt sie.
Kurz vor dem Ruhestand sei eine klassische Niederlassung für sie nicht vorstellbar gewesen. Umso erfreulicher sei es, dass sich diese Möglichkeit ergeben habe: "Ich wäre ansonsten sicherlich der Patientenversorgung verloren gegangen." Gerade für solche Konstellationen eigne sich das Modell, betont Mertz. Die Praxen verblieben in diesen Fällen länger im Eigentum der Stiftung und könnten als gut eingeführter "Betrieb" später an Nachfolger übergeben werden. Das wirtschaftliche Risiko des Modells sei gering.
Von 20 Praxen seien 18 noch am Markt, zwei hätten aus nicht-wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Flankiert wird das Modell durch weitere Maßnahmen der Landesregierung. Um Nachwuchsmediziner zu gewinnen, vergibt Thüringen Zuschüsse, Darlehen und Stipendien. Zudem wurde für einen Teil der Medizinstudienplätze an der Friedrich-Schiller-Universität Jena der Numerus Clausus abgeschafft - gegen die Zusicherung einer zehnjährigen Tätigkeit im Land nach Studienabschluss.
Mehr Landesmittel im Haushalt
Der Bedarf ist da: Nach Angaben der Kvt könnten derzeit etwas mehr als 100 Hausarzt- sowie rund 35 Facharztpraxen verschiedener Disziplinen sofort gegründet werden. Besonders groß ist der Bedarf im Osten des Freistaats. Aktuell fehlen dort mehr als 50 Haus- und mindestens 12 Fachärztinnen und -ärzte.
Sozialministerin Katharina Schenk (SPD) unterstützt folgerichtig die Stiftungspraxen. Für 2026 erhöhte ihr Ministerium die Haushaltsmittel um rund 30 Prozent auf mehr als zwei Millionen Euro. Ziel sei es, allen Thüringerinnen und Thüringern innerhalb von höchstens 20 Minuten Fahrzeit einen medizinischen Ansprechpartner zu ermöglichen. Praxen im ländlichen Raum seien dafür ein zentraler Baustein.


