Schon im ersten Krimi über die Arbeit einer Sondereinheit des Zolls war das Beste die Bildgestaltung. Gerade die Szenen im Container-Terminal waren faszinierend. Hier tragen sich auch weite Handlungsteile des zweiten Films zu. Damals, es ging um Drogenschmuggel, suchte das Team nach einer Nadel im Heuhaufen. Diesmal gibt es immerhin einen konkreten Hinweis: Ein anonymer Anrufer hat die Behörden darüber informiert, dass ein schwedischer Frachter illegale Ware transportiert.
Es handelt sich, wie sich schließlich ’rausstellt, um Bauteile, mit denen im Iran eine Drohnenfabrik errichtet werden soll. Das Schiff ist zwar riesig, aber die Aufgabe ist immerhin überschaubar. Die Ladung wird gelöscht und ebenso wie der Frachter untersucht, allerdings ohne Ergebnis, und nicht nur das: Die "Hundred Waves" ist unter anderem im Auftrag des Entwicklungsministeriums unterwegs, sie soll Anlagen zur Wiederaufbereitung von Wasser in die Philippinen transportieren. Vom "Whistleblower" fehlt ohnehin jede Spur, angeblich ist er gar nicht erst an Bord gegangen. Der Prolog verrät, was dem Mann während der sturmumtosten Überfahrt von Göteborg nach Bremerhaven widerfahren ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Nach dem spektakulär gefilmten Auftakt auf dem Frachter folgt die genretypische Rückblende ("2 Tage zuvor") und damit ein erheblicher Spannungsabfall: Die Szenen im Radarturm des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts sind Krimialltag und klingen mitunter wie Informationen für jenen Teil des Publikums, der gerade erst dazugekommen ist. Die kleinen Geplänkel sind ganz nett und lassen die Mitglieder wie gewünscht sympathisch erscheinen, doch im Grunde ist das Vorabendniveau.
Später menschelt es kräftig, als sich die ansonsten stets forsche Katta Strüwer (Elena Uhlig) von einer ganz anderen Seite zeigt und ihrer mitfühlenden Kollegin Lisa (Cynthia Micas) offenbart, warum sie auch im Büro stets eine Mütze trägt. Die Szene ist sehr berührend, hat aber mit dem Kern der Geschichte nichts zu tun und soll das Geschehen einzig und allein um ein emotionales Element bereichern.
Um Gefühle geht es auch auf einer zweiten Ebene. Hier erzählt Nils-Morten Osburg, der bereits das Drehbuch zum 2023 ausgestrahlten ersten Film ("Tödliche Fracht") geschrieben hat, ein Familiendrama: Der schwedische Schiffsbesitzer Gösta Berglund (Filip Peeters) arbeitet mit einem Unternehmen aus Bremerhaven zusammen. Seine Schwägerin Astrid Töfting (Nina Kronjäger) führt den Familienbetrieb mit strenger Hand. Tochter Romy (Leonie Wesselow) ist ganz die Mutter, Sohn David (Alessandro Schuster) ein Luftikus, der seine Zeit lieber mit Kite-Surfen verbringen würde.
Dass der Schwede Dreck am Stecken hat, steht früh außer frage. Offen bleibt allerdings, ob die Familie seines verstorbenen Bruders in die schmutzigen Geschäfte eingeweiht ist. Als Gero von Bernbeck (Bernd Hölscher) Ärger "von oben" bekommt, weil Berglund seine Verbindungen ins Ministerium spielen lässt und der Zoll für den durch die Verzögerung entstandenen Schaden aufkommen soll, bleiben ihm und seinem Team nur noch wenige Stunden bis zum Auslaufen der "Hundred Waves". Um die illegale Ausfuhr zu stoppen, müssen sie das Versteck finden, doch die Container sind allesamt durchleuchtet worden.
Sehenswert ist "Geschäft mit dem Tod" – der Episodentitel ist ähnlich einfallslos wie beim ersten Film – vor allem wegen der während des laufenden Betriebs gedrehten Szenen auf dem Container-Terminal und der vorzüglichen Bildgestaltung. Regie führte erneut Nicolai Rohde (Kamera hier wie dort: Hannes Hubach). Das Licht auf dem Schiff ist nicht nur im Prolog äußerst unbehaglich. Sehr eindrucksvoll sind auch die Unter-Wasser-Bilder des wie Müll über Bord geworfenen ukrainischen Informanten (Liliom Lewald).
Eine Einstellung, als Lisa im Bauch des Schiffes steht, lässt nicht nur erahnen, wie riesig der nun leergeräumte Frachtraum ist, sondern verdeutlicht zudem die ganze Ratlosigkeit des Teams; gegen Ende wird exakt diese Aufnahme entscheidenden Anteil an der Lösung des Falls haben.
Ein weiterer Einschaltgrund ist der Belgier Filip Peeters, der seine Rolle mit einer reizvollen Abgründigkeit versieht: Mit seinem weißen Vollbart wirkt Gösta Berglund wie ein freundlicher Großvater; tatsächlich ist der alte Schwede bereit, über Leichen zu gehen, wie sich im weiteren Verlauf der Handlung zeigt, als jemand den Fehler begeht, ihn erpressen zu wollen. Dank seiner Ausstrahlung ist Peeters problemlos in der Lage, auch einen mutmaßlichen Drehbuchsatz wie "Er durchbohrt den Mann förmlich mit seinem Blick" umzusetzen.




