Im Fall des durch Polizeischüsse getöteten Lorenz A. in Oldenburg hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Polizeibeamten erhoben.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft müsse sich der Polizist wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten, teilte eine Sprecherin am Mittwoch mit. Ein vorsätzliches Tötungsdelikt könne dem Angeschuldigten nicht vorgeworfen werden.
Der Fall Lorenz A. hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der 21-Jährige starb am 20. April laut Obduktionsergebnis durch drei Polizeikugeln, die ihn in den Rücken trafen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll er zuvor Reizgas in Richtung von Polizeibeamten gesprüht haben und dann "an ihnen vorbei" gelaufen sein. Im Zentrum des Falls steht die Frage nach möglichem Rassismus bei der Polizei, weil der Getötete Schwarz war.
Staatsanwaltschaft: Opfer wollte fliehen
Oberstaatsanwältin Carolin Castagna sagte, der Polizist sei davon ausgegangen, mit einem Messer angegriffen zu werden. Zum Zeitpunkt der Schussabgabe habe allerdings keine Notwehrlage mehr bestanden. Lorenz A. habe zwar vor der Schussabgabe Reizgas gegen den Beamten eingesetzt, allerdings kein Messer.
Er habe sich einer Festnahme entziehen und fliehen wollen. Das Landgericht Oldenburg entscheide nun darüber, ob ein Hauptverfahren eröffnet werde.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätte der Polizist erkennen können und müssen, dass das Opfer lediglich habe fliehen wollen, hieß es in der Mitteilung. Für die fahrlässige Tötung eines Menschen sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor.
Innenministerin Behrens: Vorwürfe gegen Polizei nicht angemessen
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagte, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zeige sehr deutlich, dass der Rechtsstaat funktioniere. Bei allem Verständnis für die Trauer und die Wut über den Tod von Lorenz A. seien viele der pauschalen Vorwürfe in Richtung von Polizei und Staatsanwaltschaft in den vergangenen Monaten nicht angemessen und nicht durch Fakten gedeckt gewesen. "Die Ermittlungsbehörden in Niedersachsen arbeiten unabhängig, unvoreingenommen und rechtskonform."
Der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn sagte, unabhängig vom Urteil könne das rechtliche Verfahren Angehörigen und Freunden des Verstorbenen bei der Verarbeitung des schrecklichen Ereignisses helfen. Die Anklageerhebung sei das Ergebnis professioneller und sorgfältiger Ermittlungsarbeit: "Eine Selbstverständlichkeit, die in diesem Fall jedoch leider besonderer Betonung bedarf, da sie von verschiedenen Seiten infrage gestellt wurde." Sagehorn ergänzte, bis zu einem Urteil gelte überdies die Unschuldsvermutung.
Nach dem Tod des jungen Mannes hatte es zahlreiche Demonstrationen gegen Polizeigewalt und mögliche rassistische Strukturen innerhalb der Polizei gegeben. Unter anderem kamen in Oldenburg rund 8.000 Teilnehmende zusammen, die "Gerechtigkeit für Lorenz A." forderten.



