Der Titel täuscht: Von Freude kann diesmal keine Rede sein. Die letzte Episode der tragikomischen Reihe mit Anja Kling und Oliver Mommsen war eine romantische Beziehungskomödie mit bissigen Dialogen, witzigen Pointen und viel Situationskomik. Im Vergleich zu "Unter einem Dach" ist "Elternfreuden" Drama pur: Berufsschulleiterin Katharina Hendriks und ihr Mann Bent (Carsten Bjørnlund) nehmen eine schwangere Schülerin bei sich auf, die mehr schlecht als recht in einem leerstehenden Haus lebt und immer wieder mal mit Kreislaufproblemen zusammenklappt.
Was als Übergangslösung gedacht war, führt prompt zu einer erheblichen Ehekrise: Bent adoptiert Tara (Paula Schindler) regelrecht. Er betrachtet sie offenbar als Ersatz für die vor gut fünfzehn Jahren als kleines Kind bei einem Unfall gestorbene Tochter des Paars. Lissy wäre heute genauso alt wie Tara. "Das Leben kennt keine Zufälle", stellt Bent schon früh im Film fest. Maria Hilbert, die auch das Drehbuch zu "Unter einem Dach" geschrieben hat, entwickelt die Handlung sehr nachvollziehbar und glaubwürdig. Dank Miguel Alexandres feinfühliger Inszenierung genügt beispielsweise ein kurzer Blick Katharinas auf ein Foto, das die Eltern mit dem verstorbenen kleinen Mädchen zeigt, um ihre Gedanken zu vermitteln.
Zum Zwist kommt es, weil Bent gleich mehrere Entscheidungen trifft, ohne sie zu informieren; unter anderem räumt er kurzerhand das zum Abstellraum umfunktionierte ehemalige Kinderzimmer aus und sorgt zusammen mit Tara für einen neuen Anstrich. Also packt Katharina schließlich ein paar Sachen und zieht ins Hotel, wo sie also nun erneut gemeinsam mit Kochlehrer Erik (Mommsen) unter einem Dach lebt; im letzten Film waren beide vorübergehend in sein Elternhaus gezogen, weil er sich nach einem von ihr verschuldeten Unfall nicht mehr allein versorgen konnte. Auch auf seiner Ebene gibt es ein Drama, das Hilbert allerdings etwas leichter verpackt hat: Mutter Hertha (Monika Lennartz) leidet unter Demenzsymptomen, die sie jedoch als "Alte-Leute-Kram" abtut.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zwar lockern Buch und Regie die Handlung durch gelegentliche kleine Heiterkeiten auf, zumal auch die Szenen mit Mutter und Sohn trotz der beunruhigenden Hinweise auf eine mögliche Alzheimer-Erkrankung auf sympathische Weise amüsant sind, doch von Romanze oder gar Komödie kann keine Rede mehr sein, selbst wenn sich "Katharina die Große" und "Erik, der Poser" gelegentlich an ihre gemeinsamen Schuljahre erinnern, als er ebenso heftig wie aussichtslos in sie verliebt war. Der Film nimmt die Krise des Ehepaars Hendriks genauso ernst wie den familiären Hintergrund der mitten im Semester nachgerückten äußerst begabten Schneiderin und Designerin Tara, die sich ohne Unterstützung ihrer zwar vermögenden, aber auch zerstrittenen Eltern durchschlägt; das Baby ist das Ergebnis eines Urlaubsflirts.
Der pädagogische Rahmen ist sogar zweifach reizvoll: Schulgeschichten sind immer interessant, weil die meisten Menschen entweder gute oder schlechte, auf jeden Fall aber lebhafte Erinnerungen an ihre eigene Schulzeit haben; aber wie eine Berufsschule funktioniert, wissen die Wenigsten. Natürlich ist Erik Olsen, vor seinem Engagement an der Flensburger Lehranstalt ein YouTube-Star, dessen Auftritte eine Mischung aus Kochvideo und Abenteuer waren, keine Lehrkraft wie alle anderen. Daher bringt er seiner Klasse nicht nur Kochen bei, er schult die jungen Männer und Frauen auch darin, ihre Persönlichkeit vor der Kamera zu präsentieren. Der Film wandelt sich deshalb zeitweise fast zur Kochshow.
Zwischenzeitlich sorgt "Elternfreuden" allerdings auch für kleine Irritationen. Mitunter hat es den Anschein, als habe die ARD-Tochter Degeto die Ausstrahlungsreihenfolge vertauscht. In "Unter einem Dach" haben Katharina, Bente und Erik einen feuchtfröhlichen Abend miteinander verbracht, jetzt sind die beiden Männer plötzlich wieder per Sie.
Dafür tauchen nun mit Katharinas Schwester Antje (Gerit Kling) und Hotelbesitzerin Senna (Yasmina Djaballah) in kurzen Auftritten zwei Figuren auf, die im vorletzten Film ("Familienbande", 2023) mitgewirkt haben. Das stört zwar nicht weiter, aber vermutlich weiß kaum noch jemand, was Erik und Senna miteinander verbindet. Eher unnötig ist auch der aus dem Thriller-Genre entliehene Prolog, der einen vermeintlichen Höhepunkt vorwegnimmt, um die Spannung zu steigern; das hat die Geschichte gar nicht nötig. Das Bild der gen Süden fliegenden Wildgänse als Symbol für herbstliche Melancholie ist zwar etwas abgenutzt, aber die stark jazzig geprägte Musik ist sehr hörenswert.



