Wanda will, dass alles wieder so wird wie früher. Sie freut sich darauf, Heiligabend im Kreis der gesamten Patchwork-Familie verbringen zu können, und hofft ein rundum harmonisches Fest. Ein frommer Wunsch, wie sich umgehend zeigt, denn ihre Angehörigen haben eine Menge aufzuarbeiten, und das gilt nicht nur für die hinter ihnen liegenden "Lockdowns".
Der Film ist die Fortsetzung der islamkritischen Komödie "Womit haben wir das verdient?". Zweite Hauptfigur neben Mutter Wanda (Carolin Peters) war damals ihre Tochter. Das Regiedebüt der österreichischen Drehbuchautorin Eva Spreitzhofer handelte vom typischen Pubertätskonflikt zwischen Kindern und Eltern, allerdings kräftig zugespitzt:
Wanda ist Atheistin, hat ihre Töchter feministisch erzogen, hält muslimische Kopfbedeckungen für ein Zeichen patriarchalischer Unterdrückung und ist entsprechend schockiert, als die 16-jährige Nina (Chantal Zitzenbacher) eines Tages mit Hidschab erscheint und fortan Fatima genannt werden möchte. Das Kopftuch trägt Nina immer noch, aber nur an drei Tagen; in der restlichen Woche legt sie es als Zeichen der Solidarität mit der iranischen Revolution ab.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Umgang mit den weiteren Familienmitgliedern ist ähnlich kompliziert. Wanda erklärt Covid zwar zum Tabuthema, aber natürlich kommt es trotzdem zur Sprache, und das nicht nur, weil Lebensgefährte Tony (Marcel Mohab), Künstler und passionierter Freizeitkoch, aufgrund einer Infektion Geruchs- und Geschmackssinn eingebüßt hat. Das Kochen lässt er sich trotzdem nicht nehmen; höflich machen alle gute Miene zu seiner offenbar misslungenen Vorspeise. Als Hauptgang hat Wanda aus Rücksicht auf die junge Generation eine "vegane Gans" vorgesehen, die sich als Kürbis mit Kruste entpuppt. Weil sich einige drüber lustig machen, wirft Wanda das "Tier" schließlich wutentbrannt aus dem Fenster.
Für weiteres Konfliktpotenzial zwischen den Generationen sorgt trotz Nachhaltigkeitszertifikat der Bio-Christbaum. Alle reden von der Klimakrise, beschwert sich Nina, "und wir feiern, als gäb’s kein Morgen." Die Akkus-betriebene Lichterkette ihrer Mutter findet ebenfalls keine Gnade: "Weißt du, wie viele Kinder in Kobold(!)-Minen arbeiten?"
Endgültig zur Farce wird das Fest, als es zur Konfrontation zwischen zwei in unverkennbares Rotweiß gekleideten und mit wallendem Bart versehenen Weihnachtspersonen kommt: Tony hat seinen Bruder Peter (Michael Ostroski) gebeten, für die kleine Tochter von Wandas Ex-Mann Harald (Simon Schwarz) den Weihnachtsmann zu spielen. Weil auch Wandas beste Freundin Elke (Pia Hierzegger) im Kostüm auftaucht, kommt es zu einem denkwürdigen Dialog: "Es gibt keine Weihnachtsfrau!" "Ach, aber den Weihnachtsmann gibt’s?!" Dass Elke Peters Ex ist und er sie angeblich um 10.000 Euro betrogen hat, macht die Sache nicht einfacher.
Spreitzhofer hat eine Vielzahl solcher Szenen ersonnen, die oft absurd, mitunter bizarr, aber dank der Dialoge immer witzig sind: Die Mitwirkenden hatten offenkundig großen Spaß an den Wortgefechten, zumal die Handlung ständig für Kapriolen sorgt. Peter, der mit schlechten Witzen und Scherzartikeln für allerlei Kurzweil sorgt, stellt der Runde seine neue Freundin vor: Ivana (Marina Lacković) ist Serbin, hat Spanferkel und Sliwowitz mitgebracht und überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich die Familienmitglieder das Leben so schwer machen, zumal Nina aus purer Provokation verkündet, sie sei "genderfluid" und fühle sich im weiblichen Körper nicht heimisch; zu ihrer Verblüffung entpuppt sich ihr zukünftiger Schwager tatsächlich als Transmann.
Ihre Schwester Klara (Anna Laimanee) hält sie für eine privilegierte Weiße auf der verzweifelten Suche nach einer Minderheit, der sie sich anschließen könne; aber im Grunde leide sie bloß an einem Mangel an Aufmerksamkeit. Am Ende haben sich alle wieder lieb und tanzen eine Polonaise durch die Wohnung, aber da ahnen sie auch noch nicht, dass ein weiterer Überraschungsgast vor der Tür steht. Wer will, dass alles wieder so wird wie früher, hat ohnehin bloß vergessen, dass früher keineswegs alles besser war.



