Diakoniepräsident Rüdiger Schuch widerspricht der "Stadtbild"-Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Probleme bei der Integration von Zuwanderern müssten angesprochen, "dann aber mit einer sachorientierten Politik gemeinsam gelöst werden, ohne Polemik und in gegenseitigem Respekt", sagte der Verbandschef am Mittwoch in Berlin. Seit Jahrzehnten seien zugewanderte Menschen selbstverständlicher Teil unserer Stadtbilder: "Sie gehören einfach zu uns."
Schuch verwies auf die vielen Beispiele erfolgreicher Integration in Deutschland. Zuwanderer gründeten Firmen, bereicherten die Kultur und sind "Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz, Mitspieler im Fußballverein und Nachbarn". Sie alle hätten das Recht auf Sicherheit, das gelte für alle hier lebenden Menschen, egal, woher sie stammten.
Erfolgreiche Integration erfordert laut Schuch Investitionen in Kitas, in Schulen, in Sprachkurse, in soziale Beratung, in psychosoziale Betreuung, in Ausbildungsplätze und in bezahlbaren Wohnraum. "Davon profitieren alle, egal ob kürzlich zugewandert oder nicht. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Politik."
Am Dienstagabend hatten vor der CDU-Parteizentrale in Berlin, unter dem Motto "Wir sind die Töchter", laut Veranstalterangaben 7.500 Menschen demonstriert.
Die Autorin und Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagte, sie sei "es gewohnt, das ökologische Klima vor Friedrich Merz in Sicherheit zu bringen, und ich werde auch das gesellschaftliche Klima vor Friedrich Merz in Sicherheit bringen". Zu der Kundgebung hatte das Bündnis "Zusammen gegen Rechts" aufgerufen.
Neubauer sagte, sie freue sich über eine ersthafte Debatte über Sicherheit. "Ich wäre am Start. Wo wir als Töchter nicht bereit sind mitzumachen: als Ausrede und Rechtfertigung." Neben Neubauer sprachen die Publizistin Carolin Emcke ("Gegen den Hass"), Hibba Kauser, Mitglied im Bundesvorstand der Jusos, und die ehemalige Co-Chefin der Grünen, Ricarda Lang. Diese sagte, Frauen seien "nicht das Feigenblatt für rechte Narrative".
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Dienstag bei einer Frage nach der Strategie gegen die AfD auf die Migrationspolitik verwiesen. Dort sei man "sehr weit", sagte er: "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen." Die Äußerung wird von vielen als Ablehnung von Migranten gewertet. Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), wandte sich gegen diese Äußerung.
Auf die Frage eines Journalisten am Montag, was er damit konkret gemeint habe, sagte Merz, der Journalist solle, wenn er Töchter habe, diese fragen. "Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort", sagte Merz, ohne wiederum selbst zu präzisieren, was er konkret als Problem versteht. Zugleich kündigte er eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung seiner Partei mit den Positionen der AfD an.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vorgeworfen, mit seiner "Stadtbild"-Äußerung Menschen verunsichert zu haben. Merz habe die Öffentlichkeit mit seinen Äußerungen "ratlos" zurückgelassen, sagte Schweitzer am Mittwoch im RBB-Inforadio: "Wenn ich ein Problem wahrnehme und beschreibe, dann muss ich auch eine Lösung herbeiführen."
Der SPD-Politiker und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz betonte, viele würden sich fragen, ob sie persönlich gemeint seien und seien deshalb verletzt und verärgert. "Ich glaube, da hat der Kanzler schon auch die Aufgabe, seinen Worten entweder Klarheit zu verleihen oder sie mit politischen Vorschlägen zu versehen", sagte Schweitzer.
Auch dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu äußert sich mit deutlichen Worten: "Herr Merz versucht, zu polarisieren, statt darüber zu reden, wie die Gesellschaft zu gestalten ist", sagte Sofuoglu dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Mittwoch). Es gebe im Stadtbild zwar immer mehr Armut, Obdachlose und geschlossene Läden. Das habe aber "weniger mit der Vielfalt der Städte zu tun als mit sozioökonomischen Veränderungen, für die die Regierung zuständig ist". Sofuoglu fügte hinzu: "In Stuttgart haben 60 Prozent der unter 18-Jährigen einen Migrationshintergrund." Das seien Menschen, die friedlich miteinander lebten. "Das ist einfach die Realität."
Unions-Fraktionschef Jens Spahn hatte am Sonntag die Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz verteidigt. "Der Bundeskanzler hat doch eigentlich etwas ausgesprochen, was jeder sieht, wenn er durch Duisburg geht, aber übrigens auch, wenn er durch manche mittelgroße deutsche Stadt geht", sagte Spahn der "Bild am Sonntag".
"Das hat auch was mit irregulärer Migration zu tun, wie es in unseren Innenstädten, auf dem Marktplätzen ausschaut", erklärte Spahn weiter. "Schauen Sie sich einen Hauptbahnhof an, in Duisburg, in Hamburg, in Frankfurt. Verwahrlosung, Drogendealer, junge Männer, meistens mit Migrationshintergrund, meistens Osteuropa oder arabisch-muslimischer Kulturraum."
Spahn ist außerdem der Meinung, dass irreguläre Migration etwas verändert hätte. "Und wenn sich jetzt wieder alle empören über das, was der Bundeskanzler gesagt hat, dann kann ich den Leuten nur sagen: Verlasst halt öfter mal eure gutbürgerlichen Stadtteile. Fahrt mal raus hier, ein bisschen durch Berlin, und dann sieht man die Folgen."