Junge Menschen wollen keine Wehrdienst-Pflicht

Protestaktion mit verklebten Mündern der "Generation Z" für mehr Mitbestimmung junger Menschen beim Thema Wehrdienst am Donnerstag (16.10.2025) vor dem Bundestag in Berlin.
epd-bild/Christian Ditsch
Eine Protestaktion mit verklebten Mündern der "Generation Z" warb für mehr Mitbestimmung junger Menschen beim Thema Wehrdienst am Donnerstag (16.10.2025) vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.
Protest in Berlin
Junge Menschen wollen keine Wehrdienst-Pflicht
Die Koalition ist weiter uneins über Details beim neuen Wehrdienst. Im Bundestag steht nun eine intensive Debatte an. Junge Menschen protestieren derweil gegen mögliche Elemente einer Wehrpflicht und fordern Mitsprache.

Anlässlich der Beratungen im Bundestag über den neuen Wehrdienst mehrt sich Protest junger Leute gegen eine mögliche Verpflichtung zum Dienst in der Bundeswehr. Ein Bündnis der Jugendorganisationen von SPD, Grünen und der Linken sowie von Studierenden und der Jugendabteilungen von Gewerkschaften und Umweltverbänden wandte sich in einer am Donnerstag verbreiteten Mitteilung gegen jegliche Form einer Wehrpflicht. "Für uns ist klar: Wir sind dagegen, Menschen zum Dienst an der Waffe zu zwingen", heißt es darin.

Derweil forderten vor dem Reichstagsgebäude in Berlin junge Menschen Mitbestimmung über das Gesetz ein. Mit einer Kunstperformance machten sie mit überklebten Mündern darauf aufmerksam, dass sie in ihren Augen zu wenig Mitsprache über die Form des neuen Wehrdienstes haben. Veranstalter war die Initiative "Demokratische Stimme der Jugend".

Der Bundestag wollte sich am Donnerstagnachmittag erstmals mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum neuen Wehrdienst befassen. Vorgesehen ist darin, über einen verbindlichen Fragebogen und die Wiedereinführung der Musterung für junge Männer auf freiwilliger Basis mehr Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. In den vergangenen Tagen hatten die Koalitionsfraktionen über Änderungen an dem Entwurf verhandelt, weil die Union Vorkehrungen für eine Verpflichtung fordert, sollten sich nicht genügend Freiwillige finden. Eine zunächst absehbare Einigung platzte am Dienstag.

Die Bundesschülerkonferenz kritisierte das Verhalten der Koalitionsparteien. "Man zockt nicht um junge Menschen", sagte der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Donnerstag). "Die andauernde Verunsicherung führt bestimmt nicht zu mehr Akzeptanz bei jungen Menschen", sagte er und empfahl der Bundesregierung, sich "anständig mit den Betroffenen auseinandersetzen, statt sich in koalitionsinternen Scharmützeln zu verkämpfen".

Bundespräsident und EKD-Ratsvorsitzende besorgt

Auch die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, meldete sich in der Debatte zu Wort und gab zu bedenken, viele junge Menschen hätten Sorgen, "was die Neuaufstellung des Wehrdienstes für sie persönlich bedeutet". Zugleich seien viele bereit, sich zu engagieren in Freiwilligendiensten. Sie forderte: "Ein kluges Gesetz muss beides ernst nehmen: ihre Besorgnis und ihr Engagement. Deshalb sind Wehrdienst und Friedensdienst zusammenzudenken."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach in einem Interview mit dem SWR, das am Donnerstagabend ausgestrahlt werden sollte, von einer "kommunikativen Fehlleistung" der Koalition bei der Wehrpflicht. Darin äußerte er nach Angaben des Senders auch Zweifel daran, ob das diskutierte Losverfahren der richtige Weg ist.

Losverfahren oder Zwang zur Musterung?

Im Raum steht in der koalitionsinternen Debatte, junge Männer per Losverfahren zur Musterung einzuladen und gegebenenfalls zum Dienst zu verpflichten, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden. Solch ein Verfahren stößt auch auf rechtliche Bedenken. Der Oldenburger Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler sagte dem epd, ein den gesamten Jahrgang erfassendes Musterungssystem sei dem Losverfahren vorzuziehen. "Der Staat darf es sich nicht zu leicht machen. Wir reden hier über Einschränkungen der Grundrechte auf Freiheit und Leben", sagte er.