Geht’s um Sagen und Legenden, hat gern der Teufel seine Finger im Spiel. In Friesland gilt deshalb das Gebot: Wer einen Schatz entdeckt, sollte das Geheimnis besser für sich behalten, ansonsten holt sich der Teufel den Fund; und den Finder gleich mit. Im Krimi erweisen sich unverhoffte Reichtümer ohnehin in der Regel als Fluch und nicht als Segen: Des einen Glück weckt des anderen Habgier; prompt kommt es zu Mord und Totschlag.
Das ist im 23. "Friesland"-Film nicht anders. Ausgerechnet Yunus Özlügül, der vom Glück eher selten verfolgte Bruder von Polizistin Süher, macht beim Sondengang eine phänomenale Entdeckung: Er findet die legendäre Sonnenscheibe. Im Archiv des Heimatvereins wartet schon geraume Zeit ein "Himmelswagen" auf sein Gegenstück: Der von einem Ochsen gezogene Karren ist erst zusammen mit der vorn güldenen und hinten finsteren Ergänzung komplett.
Das seit Jahrtausenden verschollene Relikt wäre eine kulturgeschichtliche Sensation und im Handel ein Vermögen wert, wenn es da nicht bestimmte Regeln gäbe: Der Fund eines derartigen rituellen Kultobjekts aus der frühgermanischen Bronzezeit gilt als "Bodendenkmal" und muss daher den zuständigen Behörden gemeldet werden. Als Tags drauf ein Archäologe auftaucht, ist der Fundort jedoch zum Tatort geworden: Fritz Groote, Vorsitzender der Heimatfreunde Leer, ist durch einen Schlag auf den Kehlkopf getötet worden; die Tatwaffe war offenbar die nun allerdings verschwundene Scheibe.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Schon dieser Teil der Geschichte ist dank seines historischen Unterbaus äußerst reizvoll, aber Mariann Kaiser und Nadine Schweigardt haben ihr Drehbuch geschickt um weitere Ebenen ergänzt. Auf diese Weise sorgen sie dafür, dass sämtliche Ensemblemitglieder entscheidend in die Wahrheitsfindung eingebunden sind, zumal alle relevanten Informationen – "Aber das hast du nicht von mir!" – umgehend die Runde machen. Die beste Idee der Autorinnen war jedoch die Ernennung von Yunus (Yunus Cumartpay) zum "Hilfssheriff": Weil Sophie Dal für diesen Film nicht zur Verfügung stand, haben sie Süher in Urlaub geschickt.
Natürlich hat Yunus erhebliches Interesse an der Frage, was aus seinem Fund geworden ist, und so bindet ihn Sühers Kollege Henk Cassens (Maxim Mehmet) kurzerhand in die Ermittlungen ein. Prompt hat Yunus großen Spaß daran, Polizist zu spielen, zumal er sich dabei gar nicht mal ungeschickt anstellt. Dass Cassens anders als sonst offiziell mit dem Fall betraut wird, hat ebenfalls einen besonderen Grund: Besitzer jenes Grundstücks, auf dem Yunus die Scheibe entdeckt hat, ist ausgerechnet Hauptkommissar Brockhorst (Felix Vörtler), der deshalb natürlich befangen ist und sich außerdem prompt das eine oder andere Verbalscharmützel mit dem Archäologen (Ulrich Brandhorst) liefert; die Interessen der beiden Männer sind schlicht nicht kompatibel.
Dank der leichtfüßigen Umsetzung des Drehbuchs durch Marc Rensing ist "Tief im Dreck" eine sehr kurzweilige Mixtur aus Krimi und Komödie. Besonders viel Vergnügen machen die kleinen Ideen am Rande; Brockhorst zum Beispiel wird wie ein Feldherr auf seinem Hügel eingeführt. Die Dialoge sind sowieso amüsant, werden aber durch die Mitwirkenden zusätzlich veredelt.
Gerade Holger Stockhaus trägt seine heiteren Zeilen mit einer bemerkenswerten Trockenheit vor. Dabei ist Bestatter Habedank gar nicht zum Lachen zumute: Seiner ohnehin nur platonisch erwiderten stillen Zuneigung zu Insa Scherzinger (Theresa Underberg) bleibt womöglich endgültig die Erfüllung verwehrt, weil sich der Apothekerin und Hobby-Forensikerin eine einmalige Chance bietet. Als Leiter des Heimatarchivs hat Habedank zudem mehr als nur ein fachliches Interesse an der Sonnenscheibe: Ein kurzer Blick auf den Himmelswagen genügt dem Archäologen, um zu erkennen, dass das Original gegen eine Kopie ausgetauscht worden ist.
Die vielen persönlichen Verwicklungen lassen die Ermittlungen mitunter fast zur Nebensache werden, aber sie sind dennoch mehr als bloß ein Vorwand für den Schmunzelfaktor, zumal sich auch auf der Krimi-Ebene interessante Konstellationen ergeben. Groote zum Beispiel war Besitzer eines Unternehmens für Torfabbau. Dass er das Opfer militanter Umweltschützer geworden ist, legt allerdings nicht mal das Drehbuch ernstlich als Option nahe. Bleibt als Verdächtige noch die Witwe (Julia Bremermann), die den Verlust des Gatten viel besser verschmerzt als den Verlust des Privatvermögens, denn das ist futsch: Groote ist auf einen perfiden Trick reingefallen. Der schmerzliche Abschied, mit dem der Film endet, gilt daher nicht Groote, sondern einem langjährigen Ensemblemitglied.