Abschiebungen: Europäische Kirchen schlagen Alarm

Migranten verlassen mit Reisegepäck das Gelände der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburgs
Patrick Pleul/dpa
Ein neuer EU-Vorschlag sorgt für Unruhe: Rückführungszentren in Drittstaaten, lange Haftzeiten – Kirchen schlagen Alarm.
EKD kritisiert geplante EU-Verordnung
Abschiebungen: Europäische Kirchen schlagen Alarm
Was droht Geflüchteten künftig in Europa? Im Interview erklärt die Leiterin des Brüsseler EKD‑Büros, Katrin Hatzinger, warum die neue EU-Rückführungsverordnung für Kirchen und Hilfswerke so brisant ist – und welchen Hoffnungsschimmer es dennoch gibt.

Die geplante Rückführungsverordnung der EU stößt bei europäischen Kirchen und Hilfswerken auf deutliche Kritik. Der Gesetzesvorschlag öffne die Tür, Rückführungszentren in Drittstaaten einzurichten und mache Abschiebehaft praktisch zum Standardinstrument, sagte Katrin Hatzinger, Leiterin des Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Brüssel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gemeinsam mit zehn Organisationen hatte die EKD kürzlich in einem Papier vor den Folgen gewarnt.

epd: Die EU arbeitet derzeit an einer Verordnung für mehr Abschiebungen. Warum ist dieser Vorschlag aus Sicht vieler europäischer Kirchen und Hilfswerke so problematisch?

Katrin Hatzinger: Der Vorschlag wirkt wie ein Schnellschuss, der eher politische Stimmungen bedient, anstatt eine faire und wirksame Migrationspolitik zu gestalten. Er öffnet die Tür, Rückführungszentren in Drittstaaten einzurichten - etwa in Uganda, wie es die Niederlande derzeit prüfen. Menschen würden dorthin gebracht, obwohl sie keinerlei Bezug zu diesen Ländern haben. Niemand weiß, wie die Haftbedingungen dort sind, wie der Rechtsschutz gewährleistet wird oder ob Nichtregierungsorganisationen Zugang haben. Das ist eine Blackbox und hochproblematisch.

Welche Verschärfungen sehen Sie noch?

Hatzinger: Man bekommt den Eindruck, dass Abschiebehaft zum Standardinstrument werden könnte. Haft soll bis zu 24 Monate möglich sein - auch für Familien und Kinder. Das ist aus kirchlicher Sicht völlig inakzeptabel. Zwei Jahre Haft sind nicht nur teuer, sondern richten menschlich enormen Schaden an - besonders bei Kindern. Zudem wird die freiwillige Rückkehr, die sich in der Praxis als nachhaltigste und günstigste Lösung erwiesen hat, hintangestellt. Stattdessen setzt man auf Zwangsmaßnahmen mit allen Risiken von Menschenrechtsverletzungen. Der Vorschlag geht davon aus, dass Menschen, die nicht kooperieren, schlicht nicht wollen. Dass sie krank, traumatisiert oder alt sein könnten, wird ausgeblendet.

Katrin Hatzinger vom EKD-Büro in Brüssel erklärt, warum die neue EU-Rückführungsverordnung aus Sicht von Kirchen und Hilfswerken so brisant ist.

Die EU-Kommission begründet ihre Reform damit, dass nur etwa 20 Prozent der Rückführungen tatsächlich gelingen. Was entgegnen Sie diesem Argument?

Hatzinger: Zu einer guten Migrationspolitik sollte auch eine glaubwürdige Rückführungspolitik gehören. Für uns Kirchen ist dieser Vorschlag jedoch nicht mehr verhältnismäßig. Oft werden Menschen nicht zurückgeführt, weil es praktische und rechtliche Hürden gibt, die nicht so ohne Weiteres zu überwinden sind: etwa die Sicherheitssituation im Herkunftsland, der Gesundheitszustand der Betroffenen oder dass der Herkunftsstaat die Person nicht annimmt. Die Härte des Vorschlags weckt falsche Erwartungen in der Bevölkerung - und aus der Praxis wissen wir, dass Rückführungen nicht so einfach funktionieren, wie hier versprochen wird.

Sehen Sie auch positive Punkte im Vorschlag der Kommission?

Hatzinger: Es gibt kleine Verbesserungen. So sollen EU-Staaten verpflichtet werden, über Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr und über Reintegration im Herkunftsland zu informieren und zu beraten. Außerdem ist ein unabhängiges Monitoring von Abschiebungen vorgesehen. Das wäre für unsere kirchliche Abschiebebeobachtung, die es heute schon an sechs deutschen Flughäfen gibt, ein echter Fortschritt, weil es Rechtssicherheit schaffen würde.