evangelisch.de: Was ist das Evangelische Literaturportal, und welche Ziele verfolgt es?
Wiebke Mandalka: Das Evangelische Literaturportal, kurz Eliport, ist der Verein für Büchereiarbeit und Leseförderung innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschland. Wir setzen uns dafür ein, Literatur sichtbar zu machen, die sich mit relevanten gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt und zum Nachdenken anregt. Für uns ist es dabei wichtig, einen klaren Wertekompass zu verfolgen, der sich an Bildung, Nächstenliebe und sozialer Teilhabe orientiert.
Ein weiterer wichtiger Teil unserer Arbeit ist unsere Präsenz vor allem auch in ländlichen Gebieten, wo wir zusammen mit unseren Büchereifachstellen über 700 evangelische öffentliche Büchereien unterstützen. Diese Büchereien sind oft eine der wenigen Einrichtungen vor Ort, an denen es kostenlose kulturelle Angebote gibt. Und all das wird durch ein starkes Netzwerk von ehrenamtlichen Mitarbeitenden getragen, die mit viel Engagement und Herzblut arbeiten.
Was ist das Besondere an evangelisch.lesen im Vergleich zu anderen Literaturzeitschriften?
Mandalka: Was uns von den meisten anderen Literaturzeitschriften unterscheidet, ist unser klarer, wertebasierter Ansatz, der Blick auf die gesellschaftlichen und ethischen Dimensionen der Bücher. Schon bei der Vorauswahl der Bücher achten wir besonders auch auf solche, die versprechen, wichtige gesellschaftliche Themen anzusprechen. Dadurch verbinden wir Unterhaltung mit Anregungen zum Nachdenken und Diskutieren. Auch unsere große Bandbreite ist eine Besonderheit: Das Spektrum reicht vom Pappbilderbuch über Jugendbücher, Wohlfühlschmöker, literarisch anspruchsvolle Romane bis hin zu theologischer Literatur.
Wie wollen Sie mit der Zeitschrift Orientierung im Buchmarkt geben – insbesondere für Gemeinden, Büchereien oder den Religionsunterricht?
Mandalka: In Deutschland erscheinen jährlich rund 60.000 bis 80.000 neue Bücher, das ist für Einzelpersonen einfach nicht zu überblicken. Wichtiger Teil unserer Arbeit ist es daher, den Buchmarkt zu kuratieren, das heißt aus der Vielzahl an Neuerscheinungen die ganz besonderen Bücher herauszuheben, die sich für die Arbeit in Gemeinden, Büchereien, Kitas und Schulen besonders gut eignen. Auf unserer Website eliport.de und in unserem Gemeindenewsletter wird diese Auslese besonders sichtbar: Dort gibt es thematisch zusammengestellte Titellisten, die etwa Themen wie Flucht, Tod und Trauer, Nachhaltigkeit und Interreligiosität abdecken. Auch zu den Themen der Fastenzeit stellen wir regelmäßig passende Bücher zusammen. Wir bieten diesen Service auch auf individuelle Anfrage für Schulen, Kitas oder Gemeinden an. So unterstützen wir nicht nur bei der Auswahl von Literatur, sondern auch bei der Umsetzung von Veranstaltungen und Bildungsprojekten.
Wie oft erscheint evangelisch.lesen, was bietet sie und wie können Interessierte sie beziehen?
Mandalka: evangelisch.lesen erscheint vier Mal im Jahr mit jeweils 200 fundierten Buchbesprechungen. Zusätzliche Artikel widmen sich aktuellen Themen an der Schnittstelle von Buchmarkt, Kirche und Kultur. Dazu kommen Interviews und News aus der großen, bunten Bücherwelt und Anregungen für alle, die mit Menschen und Büchern arbeiten.
Welche Rolle spielt Literatur heute für Kirche und Theologie?
Mandalka: Literatur hilft, gesellschaftliche Themen und ethische Fragen im Kontext des Glaubens zu reflektieren. Sie fördert den Dialog über Werte, Moral und Leben und bietet Raum für spirituelle und gesellschaftliche Reflexion. Besonders in Gottesdiensten, Konfirmandenarbeit oder in Büchereien und Lesekreisen wird Literatur genutzt, um Denkanstöße zu geben und den Glauben aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen. Für die Theologie ist Literatur zudem ein wertvolles Instrument, um aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen einzuordnen und Brücken zur breiten Gesellschaft zu schlagen.
"Mit unseren Workshops zum Thema wollen wir lesebegeisterten Aktiven in den Gemeinden Lust machen, sich selbst an die Entwicklung von Literaturgottesdiensten zu wagen"
Wie zeigt sich die Verbindung von Literatur und Kirche noch konkret in Ihrer Arbeit?
Mandalka: In unserer Arbeit zeigt sich die Verbindung von Literatur und Kirche auf vielfältige Weise. Hier mal drei Beispiele:
Wir bieten regelmäßig Konzepte für Literaturgottesdienste für verschieden Zielgruppen an, die gesellschaftlich relevante Fragen aufgreifen. Literatur macht diese Themen anschaulich und gibt spannende Impulse. Mit unseren Workshops zum Thema wollen wir lesebegeisterten Aktiven in den Gemeinden Lust machen, sich selbst an die Entwicklung von Literaturgottesdiensten zu wagen.
Ein weiteres Beispiel ist unser Schau mal-Newsletter, in dem wir jeden Monat ein Bilderbuch vorstellen, das Themen aus dem Kinderalltag oder dem Kirchenjahr behandelt. Neben der Buchvorstellung werden leicht umsetzbare Anregungen zum kreativen Umgang mit dem Buch gegeben, wobei der Fokus auf Lebens- und Glaubensfragen liegt – ideal für junge Familien, Kita und Gemeinde.
Letztes Beispiel: der Evangelische Buchpreis. Dieser bezieht von Anfang an alle mit ein, denn nur Leser:innen dürfen Vorschläge machen. Das Preisbuch soll dann auch für eine breite Leser:innenschaft lesbar und empfehlenswert sein. Aber der Evangelische Buchpreis will mehr: Er sucht Bücher, die dazu anregen, über uns selbst, unser Miteinander und unser Leben mit Gott nachzudenken. Um dazu erreichen beziehungsweise zu vertiefen, entwickeln wir für jedes Buch eine Arbeitshilfe, die einen Literaturgottesdienst und weitere Veranstaltungsideen für die Gemeindearbeit bietet – immer passend zu den Themen des Buches.
Wie wählt Eliport Bücher aus? Welche Kriterien gelten?
Mandalka: Wir möchten auf jeden Fall Menschen zum Lesen animieren und aufzeigen, was für ein Schatz Bücher sind, von klein auf. Um möglichst viele Menschen vom Lesen zu begeistern, braucht es eine Vielfalt, denn wir möchten alle Altersstufen ansprechen. Da darf dann auch mal etwas Leichtes dabei sein. Wenn es um die Auswahl des Buches für den Evangelischen Buchpreis, unseren mit 10.000 Euro dotierten Leser:innenpreispreis geht, legt die Jury natürlich andere Maßstäbe an Inhalt, literarische Qualität und gesellschaftliche Relevanz an.
"Die Frage, wie ein gutes Miteinander gelingen kann, die eigene Rolle in der Gemeinschaft, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit sind gerade stark nachgefragte Themen"
Gibt es aktuelle gesellschaftliche Themen, die sich besonders stark in den Büchern widerspiegeln, die Sie besprechen?
Mandalka: Die Frage, wie ein gutes Miteinander gelingen kann, die eigene Rolle in der Gemeinschaft, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit sind gerade stark nachgefragte Themen. Krieg und Frieden, Vielfalt und der Umgang mit Sterben, Tod und Trauer sind Themen die uns ebenfalls kontinuierlich begleiten und stark nachgefragt werden. Zu allen Themen erscheinen zahlreiche Bücher, da hilft es, wenn man ein Evangelisches Literaturportal hat, das die Bücher sichtet und bewertet und dessen Kompetenz man vertraut
Wie sieht Eliport den aktuellen Buchmarkt in Bezug auf Glaubensthemen: Gibt es Trends wie verstärktes Interesse an Umwelt, Klima, Glaube in Alltag, Diversität und interreligiöser Literatur?
Mandalka: Was wir auf jeden Fall beobachten, ist eine Suche nach einer Form von Spiritualität im Alltag. Tägliche, an die Bibel angelehnte Begleittexte oder Gebete, die Halt geben in schwierigen Zeiten, sind gefragt sowie Bekenntnisse zum Christsein und was einem das Christentum in der heutigen, von komplexen Problemlagen gebeutelten Zeit, eigentlich (noch) zu geben hat wie in Tobias Haberls Buch "Unter Heiden". Der Glaube wird heute – wie alles – sehr auf seinen Nutzen abgeklopft. Auch die Frage, wie Kirche Diversität leben kann und ob Jesus heute ein Klimaaktivist wäre oder zumindest begeisterter Radfahrer (vermutlich), sind aktuelle Themen.
Sie können ein Jahresabonnement der Zeitschrift evangelisch.lesen gewinnen! Senden Sie eine E-Mail an info@eliport.de mit dem Stichwort "Ich will evangelisch.lesen". Einsendeschluss ist der 17. Oktober.
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