TV-Tipp: "Oktoberfest 1905"

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20. September, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Oktoberfest 1905"
Macht, Intrigen, große Gefühle: In "Oktoberfest 1905" kämpfen Prank, Hoflinger und die nächste Generation um Liebe, Ehre und Bierimperien. Aus der Wiesn wird ein Schauplatz von Tragödie, Verrat und gnadenlosem Aufstieg.

Drei Dinge braucht die Liebe, um zu gedeihen: "Verlangen, einen gemeinsamen Traum und Ehrlichkeit"; das ist die feste Überzeugung von Clara Hoflinger, der Tochter von Curt Prank. Der ehemalige Nürnberger Bordellbesitzer hat es allen Widerständen zum Trotz geschafft, sich auf der "Wiesn" zu etablieren, und nicht nur das: Dank seiner innovativen Ideen lockt das Volksfest Gäste aus aller Welt an. Nun will Prank noch höher hinaus, und das buchstäblich: Über seiner "Bierburg" soll die erste Achterbahn Europas entstehen. Mit dieser Ankündigung beginnt nach kurzem Prolog "Oktoberfest 1905", die Fortsetzung des fulminanten und mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Sechsteilers, den die ARD vor fünf Jahren ausgestrahlt hat. Die Handlung erinnerte an Shakespeare, die Umsetzung durch Top-Regisseur Hannu Salonen war herausragend, das Ensemble nicht nur prominent, sondern auch perfekt inszeniert.

Die zweite Staffel umfasst nur noch vier Folgen und ist auch qualitativ eine Nummer kleiner. Die Bilder sind erneut eindrucksvoll, aber bei Salonen standen sie im Dienst der Geschichte. Diesmal jedoch sind sie oftmals selbstzweckhaft überhöht: kunstvoll zwar, aber auch künstlich, als hätten Stephan Lacant (Regie) und Michael Kotschi (Kamera) um jeden Preis Opulenz schaffen wollen, was die Optik mitunter allzu prätentiös wirken lässt. Gleiches gilt für die Darbietungen: Es geht um archaische Themen mit großen Gefühlen, die einige der Mitwirkenden prompt mit übertriebener Mimik verkörpern. Selbst der demonstrative Dialekt klingt teilweise wie Bühnenbairisch. Dazu passt dann auch die Kulissenhaftigkeit des Szenenbilds. 

Die Musik (Michael Klaukien) ist allerdings ausgezeichnet und entspricht der Wucht der Ereignisse. Im Zentrum steht nicht mehr Prank (Mišel Matičević), sondern die nächste Generation: Tochter Clara (Mercedes Müller) hat Roman (Klaus Steinbacher) geheiratet, den Sohn von Bierbrauer Hoflinger, Pranks Widersacher aus der ersten Staffel. Der Alte und sein Schwiegersohn sind jetzt gleichberechtigte Partner, haben aber unterschiedliche Vorstellungen, wie das gemeinsame Unternehmen in die Zukunft geführt werden soll. Zum Drama im Stil einer antiken Tragödie wird die Handlung, als mächtige Gegenspieler ein Komplott anzetteln. Ihr Ziel ist es, den zugereisten Emporkömmling zu zerschmettern, und sie wissen genau, wo sie ihn am empfindlichsten treffen können: Clara ist sein wunder Punkt.

Die nun eingefädelte Intrige ist von einer grausamen Perfidie, wie Chefautor Ronny Schalk (diesmal ohne Christian Limmer) und sein Drehbuchteam jedoch erst später offenbaren. Zunächst stellt Clara fest, dass die "Romeo und Julia"-Liebe zwischen ihr und Roman, in Staffel eins noch unerschütterlich, erhebliche Risse bekommen hat, weil zwei der drei eingangs erwähnten Voraussetzungen abhanden gekommen sind; kein Wunder, dass sie schließlich den Avancen eines russischen Malers und Pianisten (Slavko Popadic) erliegt. Die Fortsetzung konzentriert sich diesmal ohnehin stärker auf die inneren Konflikte der Figuren, bleibt jedoch ein "Wirtschafts-Krimi" in des Wortes doppelter Bedeutung: Bankier Mertz (Rainer Bock) will ins Brauerei- und Wiesn-Geschäft einsteigen und findet im korrupten Bürgermeister (Michael Kranz) einen willigen Vollstreckungsgehilfen. Geschickt treibt Mertz einen Keil zwischen Prank und Hoflinger. Die Rivalität dieser beiden Männer gipfelt in einem Duell, mit dem die Serie auch beginnt. Wie es endet, offenbart sich erst in Folge drei, als es zu einer für eine öffentlich-rechtliche Serie ungewöhnlich grausamen Szene kommt. Spätestens jetzt ist klar: Wer sich auf einen Tanz mit dem Teufel einlässt, fährt am Ende zur Hölle. 

Da diesmal offenbar nur Geld für vier Folgen zur Verfügung stand, musste Schalk die Geschichte kondensieren. "Oktoberfest 1905" wirkt daher ungemein dicht und handlungsreich, ständig werden neue Allianzen geschmiedet und alte Verbindungen skrupellos aufgekündigt; andere erweisen sich hingegen als überraschend dauerhaft. Mit der Rückkehr von Maria Hoflinger (Martina Gedeck), vom Sohn entmündigt und im Irrenhaus entsorgt, wandelt sich die zweite Staffel zu einem Rache-Epos im Stil der Euripides-Tragödie "Medea". Nach ihrer Entlassung stellt Maria fest, dass um sie herum "Habgier, Neid, Niedertracht, Hochmut, Wollust" herrschen, und damit sind auch die wichtigsten Zutaten zur zweiten Staffel benannt. Den Faktor Wollust steuert das bis heute legendäre Münchener Lokal "Deutsche Eiche" bei, hier findet die in Staffel eins als angebliche Gattenmörderin verurteilte Colina (Brigitte Hobmeier) als Sängerin "Mysteria" zu ihrer Bestimmung und außerdem die wahre Liebe. Das "Erste" zeigt alle Folgen am Stück, die Serie steht zudem bereits komplett in der ARD-Mediathek.