Neues Rettungsschiff fürs Mittelmeer

Das Seenot-Rettungsschiff "SOS Humanity 1" bei einem Einsatz im Mittelmeer
SOS Humanity/Wasil Schauseil
Das Seenot-Rettungsschiff "SOS Humanity 1" bei einem Einsatz im Mittelmeer.
Seenotrettung SOS Humanity
Neues Rettungsschiff fürs Mittelmeer
Die Seenotrettungsorganisation SOS Humanity schickt ein weiteres Schiff zur Rettung Geflüchteter ins Mittelmeer. Die "Humanity 2" soll ab 2026 vor allem in den Gewässern vor der Küste Tunesiens eingesetzt werden.

So könne eine "lebensgefährliche Lücke" bei der Seenotrettung auf dem Mittelmeer geschlossen werden, sagte die Organisation dem Evangelischen Pressedienst. Bei der "Humanity 2" handelt es sich den Angaben zufolge um ein 24 Meter langes Segelschiff. Es solle im Winter umgebaut werden und im kommenden Jahr einsatzfähig sein und Platz für mehr als 100 Menschen bieten. Neben der Rettung von Menschen soll die "Humanity 2" nach Angaben des Geschäftsführers von SOS Humanity, Till Rummenhohl, auch Missstände und Brüche des Völkerrechts durch die tunesische Küstenwache dokumentieren. Man habe sich bewusst für ein Segelschiff entschieden, das lange im Einsatz bleiben könne, weil es nicht auftanken muss.

"Das Seegebiet dort ist eines der gefährlichsten im Mittelmeer", sagte Rummenhohl. "Es gibt dort keine Luftaufklärung und in Tunesien einen Bann von Satellitentelefonen." Deswegen verschwänden Boote einfach: "Die Menschen haben keine Möglichkeit, Notrufe abzusetzen, geschweige denn aus der Luft entdeckt zu werden."

SOS Humanity betreibt bisher ein Rettungsschiff für Einsätze auf dem Mittelmeer, die "Humanity 1", das vor allem vor der libyschen Küste im Einsatz ist. Laut der Organisation ist das Gebiet vor Tunesien bisher nicht ausreichend abgedeckt. Dabei seien die Menschen dort besonders gefährdet, weil sie oft in nicht seetauglichen und leicht sinkenden Metallbooten losführen. Zugleich verhinderten die tunesischen Behörden eine koordinierte Rettung und verletzten systematisch die Menschenrechte von aus Seenot geretteten Personen.

Keine verlässlichen Zahlen

Die europäischen Staaten trifft dabei aus Sicht der Seenotretter eine Mitschuld. "Die Fluchtrouten im Mittelmeer werden immer gefährlicher, weil die EU Drittstaaten dafür bezahlt, flüchtende Menschen abzufangen", sagte SOS-Humanity-Geschäftsführer Rummenhohl. Statt Leben zu retten, schotte sich Europa um jeden Preis ab.

Wie Libyen gilt auch Tunesien als wichtiges Transitland für Geflüchtete und Migranten aus Afrika, die nach Europa wollen. Zwar sind seit einem EU-Migrationsabkommen im Sommer 2023 die Ankünfte aus Tunesien in Italien massiv zurückgegangen. Doch es gibt keine verlässlichen Zahlen, wie viele Menschen den Weg angetreten sind oder von der Küstenwache des nordafrikanischen Landes abgefangen und zurückgebracht wurden.

"Täglich Menschrechtsverletzungen"

"Viele Menschen auf der Flucht fahren auch im Westen Libyens ab und nehmen dann den gefährlichen Weg gen Norden entlang der tunesischen Küste, um einem Abfangen durch die sogenannte libysche Küstenwache zu entgehen", sagte Rummenhohl. Auch sie gerieten dann in tunesischen Gewässern in Seenot. Davon erfahre die Öffentlichkeit oft erst, wenn es  Schreckensnachrichten von gesunkenen Booten oder angeschwemmten Leichen gebe.

Rummenhohl kritisierte die Zusammenarbeit der EU mit Tunesien bei der Migrationsabwehr. Die tunesische Küstenwache sei in den vergangenen Jahren mit europäischen Geldern aufgerüstet worden, kritisiert er. Diese fange die Menschen "gewaltsam auf See ab" und zwinge sie zurück ins Land. Auch die deutsche Bundespolizei bilde mit der tunesischen Küstenwache einen Akteur aus, "der täglich Menschenrechtsverletzungen auf See begeht", sagte Rummenhohl.

Die EU schloss im Sommer 2023 ein Migrationsabkommen mit Tunesien. In diesem Rahmen unterstützt sie unter anderem die tunesische Küstenwache mit Ausstattung und Weiterbildung. Auch in Tunesien selbst hat sich die Lage für Geflüchtete und Migranten zuletzt deutlich verschärft. Laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen werden immer wieder Personen von den tunesischen Behörden an der libyschen Grenze in der Wüste ausgesetzt.