Wie Italien die Schulen digital entgiftet

Foto von Kinderhänden, die nach Smartphones greifen, die auf einem Tisch mit Stiften liegen
epd-bild/Heike Lyding
eit einem Jahr gilt in Italien ein striktes Handyverbot an Schulen. Jetzt zieht auch Deutschland nach. Nicht alle finden das richtig.
Ciao, Smartphone!
Wie Italien die Schulen digital entgiftet
Italien hat die private Handynutzung an vielen Schulen des Landes bereits stark eingeschränkt - Deutschland zieht mit neuen Handyverboten in mehreren Bundesländern nach. Das Ziel: weniger Ablenkung und Schutz der Jugendlichen vor digitalen Risiken.

Seine Einschätzung schickt Pietro Cassava via Smartphone. "Ich finde es übertrieben, den Schülern das Handy während der Schulzeit komplett wegzunehmen", sagt er in einer Sprachnachricht, die er über WhatsApp schickt. Pietro ist 15 Jahre alt und geht auf das Liceo Scientifico Morgagni in Rom. Vor einem Jahr hat Italiens Bildungsministerium private Handys aus dem Schulalltag verbannt. Deutschland zieht nun nach: Von diesem Schuljahr an gelten auch hier strengere Regeln zum Handygebrauch im Unterrichtsalltag.

Mehrere Bundesländer führten zum Schuljahr 2025/26 ein weitreichendes Handyverbot an Schulen ein - etwa Bayern, Hessen und Sachsen. In den Verordnungen heißt es zum Beispiel, das Verbot solle die Konzentration der Schüler fördern, Mobbing eindämmen und den Einfluss sozialer Medien begrenzen. Wo es entsprechende Regeln gibt, müssen die Handys vor dem Unterricht abgegeben werden oder ausgeschaltet in der Tasche verschwinden.

Was in Teilen Deutschlands nun eingeführt wird, ist in Italien schon länger Praxis. Ende 2022 schon hat der Bildungsminister der damals frisch ins Amt gekommenen rechtsnationalen Regierung von Giorgia Meloni, Giuseppe Valditara, ein Schreiben an die Schulen verschickt, das die Nutzung von Mobiltelefonen während des Unterrichts verbietet. Diese stelle eine "Ablenkung für sich selbst und andere dar" und bedeute einen "Mangel an Respekt gegenüber den Lehrkräften, denen vorrangig ihre Autorität zurückgegeben werden muss", schrieb der Lega-Minister damals.

Seit dem Schuljahr 2024/25 gibt es in Italien ein offizielles Handyverbot bis zur Mittelstufe - von diesem Schuljahr auch in den höheren Jahrgängen des Gymnasiums. Nicht nur die private, auch die didaktische Nutzung ist nun verboten.

Negative Auswirkung auf Leistung

Eine offizielle Bilanz über den Nutzen des Verbots gibt es in Italien nicht. In dem Schreiben von Minister Valditara an die Schulen, mit dem die Maßnahme auf die Oberstufen ausgeweitet wird, ist die Rede von wissenschaftlichen Untersuchungen, die die negativen Auswirkungen von "übermäßiger oder unsachgemäßer Nutzung von Smartphones auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen sowie auf ihre schulischen Leistungen" eindeutig belegten.

Auch in Italien kann die nationale Regierung nicht für alle der 20 Regionen im Bildungsbereich Regeln erlassen. Anita Buonasora unterrichtet an einem Kunstgymnasium in Trient in der Region Trentino-Südtirol. Diese besitzt wie vier weitere Regionen besondere Autonomie-Befugnisse, was Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzen angeht. Jede Schule kann hier selbst entscheiden, wie sie es mit den Mobiltelefonen handhaben will.

An der Schule, an der Buonasora unterrichtet, haben auch die Lehrer Autonomie, wie sie mit Handys in ihrem Klassenraum umgehen. "Ich zum Beispiel lasse sie abgeben", sagt Buonsora. "Sobald ich das Klassenzimmer betrete, müssen alle Schüler mir ihr Handy auf meinen Schreibtisch legen und ich gebe sie am Ende der Unterrichtsstunde zurück." Probleme habe es dabei noch nie gegeben, sagt sie.

Mit Radio die Schüler ablenken

Die Autonomie führt auch zu kreativen Lösungen: In der Schule, in der Buonasora zuvor gearbeitet hat, mussten die Schüler die Handys während der Schulzeit in eine Box legen. Um die Jugendlichen in der Pause abzulenken, wurde über die Lautsprecher der Schule Radio gespielt. "Und zwar der Sender der Schule, dessen Programm von den Schülern selbst gestaltet wurde", erzählt Buonasora. Ihre Erfahrung mit all diesen Maßnahmen ist durchweg positiv. "Es gibt keine Beschwerden", sagt sie, "im Gegenteil. Die Eltern unterstützen die Schulen. Sie sind meistens sehr dafür, dass ihre Kinder mal eine kleine digitale Entgiftung machen."

Silvia Barisano unterrichtet an einer Grundschule in Rom. Sie begrüßt das Verbot ausdrücklich. Didaktisch könne man locker auf das Handy im Unterricht verzichten. "Recherchen können im Computerraum durchgeführt werden oder zu Hause während der Hausaufgaben", sagt sie. Wenn ein Taschenrechner gebraucht wird, nimmt man eben genau den zur Hand. Eine private Nutzung während der Schulzeit kommt für sie erst recht nicht infrage. "Die Kinder sind in der Schule und sollen sich darauf konzentrieren, zu lernen", sagt sie vehement.

Schüler wie Pietro Cassava sehen das kritischer: "In der Pause will ich auch mal Nachrichten schreiben oder ein Video schauen - das ist mein Recht", sagt der 15-Jährige. Er sieht das Problem nicht im Gerät, sondern im Umgang damit: "Nur weil einige es missbrauchen, sollten nicht alle bestraft werden."

Auch in Deutschland gibt es bereits kritische Stimmen. Schülervertretungen warnen vor einem Generalverdacht und fordern mehr Medienkompetenz statt Verbote. Der Minister in Italien ist derweil von seinem Konzept überzeugt. Mitte Mai dieses Jahres hat er im Bildungsrat der Europäischen Union ein flächendeckendes Verbot von Smartphones an Schulen der gesamten EU gefordert.