Kirche tauscht Altarbild gegen Frauen-Foto

Auf dem Altar ist die grossformatigen Fotografie eines zum Teil unbekleideten Frauenkörpers
epd-bild/Stefan Heinze
Die Kirche hat ihr traditionelles Altarbild abmontiert und zeigt stattdessen für vier Monate ein modernes Kunstwerk.
Aktion gegen Missbrauch
Kirche tauscht Altarbild gegen Frauen-Foto
Ein halbnackter Frauenkörper ersetzt das Altarbild der Dreifaltigkeitskirche Hannover. Mit Julia Krahns Fotografie setzt die Kirche ein Zeichen gegen sexualisierte Gewalt. Das Kunstwerk will aufrütteln – und sorgt in der Gemeinde für Irritation wie Zustimmung.

Mit der großformatigen Fotografie eines zum Teil unbekleideten Frauenkörpers will die evangelische Dreifaltigkeitskirche in Hannover ein Zeichen gegen sexualisierte Gewalt setzen. Das Bild der Künstlerin Julia Krahn (47) ersetzt zeitweise das traditionelle Altarbild in der neugotischen Kirche. Am Sonntag wurde das Kunstprojekt mit dem Titel "hin und weg" in einem Kunstgottesdienst offiziell eröffnet.

Das Bild, von der Seite fotografiert, zeigt eine Frau, die sexualisierte Gewalt erlebt hat und ihren halbnackten Körper eng mit ihren eigenen Armen umschlingt. Etwa die Hälfte des abgebildeten Körpers ist durch ein weißes Leinentuch bedeckt. In der Kirche steht das Kunstwerk zwischen klassischen Apostelfiguren. Bis zum 6. Januar ist es dort zu sehen. Dann wird das bisherige Bild "Christus auf dem Meere" von Bernhard Plockhorst wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren, den es seit 1883 innehat.

"Mir war es wichtig, dass eine weibliche Figur den Platz im Altar einnimmt, und zwar mit einer Geschichte, die von Gewalt, Verletzung und Neuanfang spricht", sagte Julia Krahn bei der Eröffnung der Kunstaktion. Wenn ein Körper Gewalt erfahre, zerbreche die Verbindung von Körper und Geist: "Sie muss neu aufgebaut werden. Das ist eine Art Auferstehung. Man ist danach nie wieder dieselbe." Dass ihr Werk an dem Altar jetzt zeitweise Christus ersetze, sei für sie eine große Verantwortung.

Der frühere Direktor des Sprengel Museums in Hannover, Professor Ulrich Krempel, erläuterte in einer Bildinterpretation, Haut und Tuch seien verbreitete Motive in der christlichen Kunst. "Wir sehen eine Person, die sich uns zeigt und sich zugleich vor uns verbirgt."

Gemeindepastor Axel Kawalla betonte: "Ich bin überzeugt, dass Gott immer auf der Seite der Menschen steht, die Gewalt erfahren." Kawalla hatte das Kunstprojekt initiiert. "Ich erhoffe mir eine Diskussion darüber, mit welchen Bildern wir uns in unseren Kirchen umgeben und welche Leiden wir in Gesellschaft und Kirche thematisieren und welche nicht", erläuterte er.
Die Gemeinde habe auf das Projekt bisher unterschiedlich reagiert. Viele freuten sich, dass Kirche sich verändern könne und Geschichten von Frauen in der Kirche sichtbarer gemacht würden. Andere seien irritiert, dass der Altarraum für eine gewisse Zeit eine andere Gestalt hat.

Die Foto-Künstlerin Julia Krahn wuchs in Aachen auf und lebt heute in Mailand. Das Foto in der Dreifaltigkeitskirche stammt aus ihrer Zyklusreihe "unfassbar", die Krahn für den Kirchentag im Mai 2025 in Hannover geschaffen hat. Dabei konnten sich Frauen, die Missbrauch und Gewalt erlebt haben, von ihr porträtieren lassen.

Es gehe ihr um Heilung seelischer Wunden, sagte Krahn: "Ich versuche festzuhalten, was das Auge nicht sieht, um es im Betrachter widerzuspiegeln." Es geht ihr um die Erfahrung geteilter Gefühle. Der Zyklus war im Frühjahr im Landesmuseum in Hannover zu sehen. Das Kunstprojekt in der Dreifaltigkeitskirche wird von der evangelischen Hanns-Lilje-Stiftung gefördert.