Lea Blattner ist gerade einmal acht Jahre alt, als sie vom Vater eines Schulfreundes missbraucht wird. Vier Jahre später erlebt sie ein weiteres Trauma: Mehrere ältere Jungs vergreifen sich an ihr – nach dem Fußballspielen, nur wenige Meter von ihrer Haustür entfernt. Beide Male schweigt sie und verheimlicht aus Angst und Scham, was passiert ist.
Doch dieses Schweigen machte die Situation nur schlimmer. Die Beziehung zu ihren Eltern zerbrach, sie kam in ein Heim und auch die Erinnerungen ließen sie nicht los. "Ich konnte meine Augen nicht mehr schließen, ohne es immer wieder zu sehen. Ich wollte einfach nur noch sterben", erzählt Lea rückblickend.
Zeitgleich merkt sie, dass sie sich nicht zu Männern, sondern zu Frauen hingezogen fühlt. Doch auch diese Erkenntnis verheimlichte sie. "Ich bin mit dem Gedanken aufgewachsen, dass es sowas nicht geben darf"
Von Gott im Stich gelassen
In dieser Zeit fühlte sich Lea auch von Gott im Stich gelassen. Sie wandte sich von ihm ab, wollte nichts mehr mit Glaube und Kirche zu tun haben. Mit 13 Jahren sah sie keinen anderen Ausweg mehr und versuchte, sich das Leben zu nehmen. "Mein innerer Schmerz war einfach zu groß".
Nach dem Suizidversuch kam sie in eine Klinik. Dort passierte etwas Unerwartetes: Eine Mitpatientin sprach mit ihr über Gott, schenkte ihr Hoffnung. Lea begann wieder in der Bibel zu lesen und zu beten. An ein Gebet kann sie sich noch besonders gut erinnern: "Wenn es dich gibt Gott, dann zeig mir dieses schöne Leben, dass alle anderen haben, nur ich nicht" – eine Bitte, die sich einige Zeit später erfüllte.
Selbstbefreiung durch Vergebung
Heute spricht Lea offen über das, was sie als Kind und Jugendliche erleben musste und sagt: "Ich habe meinen Vergewaltigern vergeben." Für viele klingt das unvorstellbar. Doch für Lea war es ein entscheidender Schritt, um ihr eigenes Leben zurückzugewinnen. "Diese Männer und das, was sie mir angetan haben, das hat mein Leben so viele Jahre bestimmt und mich innerlich bitter werden lassen", erzählt sie.
"Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich ihnen vergeben muss, wenn ich davon frei werden will." Dieser Weg war kein leichter. Über Monate, sogar Jahre, musste Lea sich selbst immer wieder sagen: "Ich vergebe." Zunächst nur im Kopf, irgendwann dann auch im Herzen. "An einem bestimmten Punkt habe ich gemerkt, dass der Groll weg ist, dass ich die Taten losgelassen habe", beschreibt sie. "Ich würde sagen, dass ich in Jesus die Kraft gefunden habe zu vergeben."
Vergeben bedeutet loslassen
Gleichzeitig ist Lea wichtig, dass Vergebung keine Pflicht ist. "Du hast das Recht, sauer und wütend zu sein – niemand darf dir vorschreiben, dass du vergeben musst." Für sie bedeutet Vergebung nicht, das Geschehene kleinzureden: "Vergeben heißt nicht gutheißen, sondern loslassen." Heute sagt sie selbstbewusst: "Ich bin nicht das, was mir passiert ist, und ich möchte auch nicht darauf reduziert werden."
An die Öffentlichkeit gehen
In den vergangenen Jahren hat Lea nicht nur ihre Missbrauchserlebnisse öffentlich gemacht, sondern sich auch geoutet. Über sich selbst sagt sie "Ich bin Christin, Politikerin und eine Frau, die Frauen liebt" und schreibt bei Instagram:
Dieses eingebettete Video wird von Instagram bereitgestellt.
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Dabei wird Instagram mitgeteilt, welche Seiten Sie besuchen. Wenn Sie in Ihrem Instagram-Account eingeloggt sind, kann Instagram Ihr Surfverhalten Ihnen persönlich zuordnen.
Dies verhindern Sie, indem Sie sich vorher aus Ihrem Instagram-Account ausloggen,
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Weitere Informationen zum Datenschutz bei Instagram finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters unter: https://help.instagram.com/155833707900388
Offen sein für queere Identität und Glaube
Für Lea schließen sich Glaube und queeres Leben mittlerweile nicht mehr aus. Dennoch war der Schritt in die Öffentlichkeit alles andere als leicht. "Einige gute Freunde haben sich nach meinem Outing von mir abgewandt", erzählt sie. "Ich weiß, dass ich bei Jesus bedingungslos angenommen bin – bei den Menschen bin ich das nicht."
Trotz dieser Rückschläge will Lea anderen Mut machen. Durch ihr Engagement in der Politik und ihre persönliche Offenheit möchte sie Menschen erreichen, die in ähnlichen Lebenslagen stecken und sich für diese einsetzen. "Ich kann zwar nicht die ganze Welt verändern. Aber vielleicht kann ich durch meine Politik die Welt von einzelnen verändern."
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