Traumberuf: Kirchenführer in Bayern

Brigitte Gärtner
epd-bild/Julia Riese
Seit 25 Jahren führt Brigitte Gärtner Touristen und interessierte Einheimische durch die Lorenzkirche.
Zertifizierte Ausbildung
Traumberuf: Kirchenführer in Bayern
Mehr als 2.000 Kirchen und Kapellen gibt es in Bayern. Viele von Ihnen muss man nicht allein erkunden: Kirchenführerinnen und Kirchenführer geben ihr geballtes Wissen über Architektur, Kunst und Geschichte kostenlos weiter.

Dass jeden Tag um 14 Uhr der Schuhmacher, Poet und Meistersinger Hans Sachs die Gäste in der Nürnberger Lorenzkirche persönlich begrüßt, ist selbst unter Nürnbergern kaum bekannt. Zuerst ertönt ein Glockenspiel. Blickt man nach oben an die nördliche Langhauswand, an der die Laurentiusorgel wie ein Schwalbennest hängt, öffnet sich plötzlich eine unscheinbare Doppeltür. Heraus kommt mit ausgestreckten Armen ein kleiner geschnitzter Hans Sachs.

"Er hat theologische Texte und Lieder geschrieben und sich zur Zeit der Reformation viel mit dem Geistlichen auseinandergesetzt", erklärt Kirchenführerin Brigitte Gärtner den rund zehn Gästen, die interessiert die Hälse recken. Auf der knapp einstündigen Tour durch die große gotische Kirche im Herzen Nürnbergs gibt es Geschichtliches, Unterhaltsames und Kunstwissenschaftliches zu erfahren - vom Namensgeber, dem Heiligen Laurentius, über das dominierende Kunstwerk, den Engelsgruß, bis hin zu einem geschnitzten Gesicht, das im östlichen Teil der Kirche zu finden ist und den sehr bildlich beschreibenden Namen "Der Kotzer" trägt.

Unterwegs schließen sich mehrere Gäste spontan der kostenlosen Führung an. Zweimal pro Tag finden diese Führungen statt, rund 40 Ehrenamtliche teilen sich die Aufgabe. "Es ist toll, immer wieder neuen Menschen mit anderen Interessen zu begegnen", sagt Gärtner, die seit 25 Jahren dabei ist. Zwar bereite sie einen roten Faden für ihre Führungen vor, gehe aber vor Ort auch auf die Wünsche der Gäste ein. Gerade, wenn viele interessierte Nachfragen kommen, freue sie sich. "Ich lerne auch immer durch die Gäste etwas dazu, die sich manchmal selbst sehr gut auskennen."

Hans Sachs wird als talentiertester und berühmtester der Meistersinger erachtet. Das Werk des Nürnbergers gilt als ein bedeutendes Zeugnis der reichsstädtischen bürgerlichen Kultur des 16. Jahrhunderts.

Nicht nur die großen, touristisch erschlossenen Kirchen können Interessierte auf diese Weise erkunden. Auch für Dorfkirchen finden sich immer wieder Ehrenamtliche, die ihre Geschichte und Bedeutung vermitteln wollen. Wie viele Kirchenführerinnen und Kirchenführer es insgesamt in Bayern gibt, ist nicht erfasst. Die Ausbildung bei den evangelischen Bildungswerken ist zertifiziert und soll überall die gleiche Qualität gewährleisten. In diesem Jahr finden bayernweit drei Kurse statt.

Theoriewissen und pädagogisches Konzept

"Es geht nicht darum, dass die Menschen möglichst viele Jahreszahlen auswendig lernen und wiedergeben", sagt Carsten Kurtz von Bildung Evangelisch in Erlangen. "Es geht eher darum, einen pädagogischen, meditativen Zugang zu Kirchenräumen zu finden." Kurtz ist einer der Leiter des aktuellen Fortbildungskurses zusammen mit Bildung Evangelisch in der Fränkischen Schweiz. 13 Teilnehmende zahlen jeweils rund 350 Euro für die Ausbildung, inklusive sechs Online-Vorträgen und fünf Tagesseminaren vor Ort.

Zeit und Geld in dieses Ehrenamt zu investieren, sei für viele eine Herzensangelegenheit, sagt Kurtz. "An erster Stelle steht oft auch das Interesse an der eigenen Spiritualität." Die persönliche Motivation sei bei allen hoch. Auch bei Dorothea Geiger-Pieger aus Eckenhaid ist das so. 35 Jahre lang hat sie beim Diakonischen Werk Bayern gearbeitet. Auf die Ausbildung zur Kirchenführerin hatte sie schon lange ein Auge geworfen - jetzt im Ruhestand ist endlich Zeit dafür. "In Kirchen zu gehen, hat mich immer gestärkt", erzählt sie. Die Verbindung von Theoriewissen und pädagogischem Konzept gefalle ihr besonders gut. In ihrer kleinen Kirchengemeinde in Eckenhaid mit der Friedenskirche ist Geiger-Pieger eng eingebunden.

Die Umbrüche, die in der gesamten evangelischen Kirche gerade anstehen, beschäftigen sie. "Ich habe darüber nachgedacht, was ich beitragen könnte. Mit einer interessanten und ungewöhnlichen Kirchenführung kann ich vielleicht kirchenferne Menschen wieder in Kontakt bringen zur Gemeinde." In Fachvorträgen lernte die Gruppe mehr über die Baustile von Kirchen, über Kreuzestheologie, Symbolik und Kirchengeschichte. "Es ist aber keine Ausbildung, die dazu führt, dass man hinterher durch alle Kirchen dieser Welt führen kann", sagt Carsten Kurtz.

Der Fokus liege jeweils auf der eignen Kirche, für die die Teilnehmer nach und nach zu Expertinnen und Experten werden. Für die Eckenhaider Friedenskirche bereitet Dorothea Geiger-Pieger gerade ihre Führung vor. Diese ist zusammen mit einer Hausarbeit Teil der Abschlussprüfung und wird vor der Gruppe, der Seminarleitung und selbst eingeladenen Gästen zum ersten Mal ausprobiert. Hinterher gibt es konstruktive Kritik. "Mein Wunsch wäre, die Menschen, die meine Führung mitmachen, so zum Kirchenraum in Beziehung zu setzen, dass sich etwas in ihnen öffnet", sagt Geiger-Pieger.