Etwa 1.000 Lieder, 22 Schallplatten- und CD-Veröffentlichungen, zahllose Auftritte bei Kirchen-, Katholikentagen, anderen Großveranstaltungen, bei Workshops und in Kirchengemeinden: Die Band Habakuk ist in den fünf Jahrzehnten ihres Bestehens zu einer festen Größe im deutschen Sakro-Pop geworden. Diese Entwicklung war bei der Gründung 1975 kaum absehbar, die Anfänge geradezu familiär.
Der künftige evangelische Pfarrer Eugen Eckert und seine damalige Freundin Angelika Dietze taten sich in Frankfurt mit dem begabten Gitarristen Jürgen Kandziora zusammen. Anfangs seien auch noch seine Schwester und ihr Freund dabei gewesen, erinnert sich Eckert. Der entscheidende Impuls kommt vom 16. Kirchentag in der Mainmetropole im selben Jahr. Dort erleben sie Piet Janssens, eine Schlüsselfigur in der geistlichen Pop-Musik, bei einer liturgischen Nacht. Tausende Menschen, die in einer überfüllten Messehalle gemeinsam singen, Musik, die begeistert. "Das hat mich elektrisiert", sagt Eckert. "Mir war klar: Das wollte ich auch machen."
In einer methodistischen Gemeinde großgeworden, war Eckert auch durch die dort gepflegte Musik geprägt – Posaunen-, Kirchenchor und vierstimmiger Gemeindegesang. Alles sehr traditionell. "Fast nichts davon hat mir wirklich gefallen", so Eckert. Vor allem die Texte, in denen viel vom irdischen Jammertal und den erwarteten Freuden im Jenseits die Rede ist, befremden den damals Anfang 20-Jährigen. "Ich wollte etwas anderes machen." Als Jugendleiter der Frankfurter Gethsemanegemeinde hatte er schon eine andere, offenere und freiere Form von Glaubenspraxis kennengelernt und sieht sich durch die Begegnung mit Janssens bestärkt.
Vom Kredit zur ersten Schallplatte
Diesen anderen Sound, der sich von der Kirchenmusik-Tradition so deutlich unterscheidet, will Habakuk unter die Leute, in die Gemeinden bringen. Starthilfe kommt vom damaligen Stadtjugendpfarrer Martin Jürges. Der macht Geld locker, vermittelt einen Kredit von 4.000 D-Mark, die erste Anlage und der Bausatz für eine elektrische Orgel können angeschafft werden. Abgearbeitet wird das Darlehen durch Auftritte der Band bei Veranstaltungen im Rahmen der evangelischen Jugendarbeit. Der Beginn, zunächst noch auf lokaler Ebene.
Doch Jürges hat auch überregionale Kontakte. Durch seine Vermittlung spielt "Habakuk" schon 1977 selbst beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Ein entscheidender Schritt: "Dort haben uns viele Veranstalter gehört, und wir wurden deutschlandweit bekannt", so Eckert. Die Verbindung wird von Dauer sein. Seither hat Habakuk bei sämtlichen Kirchentagen mitgewirkt – bis heute.
Wieder zwei Jahre später, 1979, geht die Band ins Studio, um ihre erste Schallplatte aufzunehmen. Noch unter analogen Bedingungen werden die ersten zwölf Songs produziert. "Das war eine harte Lehre für uns", erinnert sich Eckert. Die ersten Veröffentlichungen von Habakuk erscheinen im katholischen Lahn-Verlag. Die Habakuk-Lieder werden in der katholischen Kirche sehr populär. 21 von ihnen finden sich in den aktuellen Gotteslob-Ausgaben – im Evangelischen Gesangbuch (EG) sind es lediglich zwei.
1985 entsteht das bis heute bekannteste Habakuk-Lied: "Bewahre uns Gott" ist unter der Nr. 171 auch im Stammteil des EG vertreten. Auf der Plattform YouTube haben die unterschiedlichen Interpretationen über eine Million Aufrufe. Die Vorlage "La Paz del Senor" ist ein Friedenslied aus der Zeit der argentinischen Militärdiktatur. Angelika Dietze, die langjährige Leadsängerin von Habakuk, brachte es in eine Probe mit, wie sich Eugen Eckert erinnert. Die Bandmitglieder sind von der Melodie sofort angetan, Eckert schreibt aber keine Nachdichtung des spanischen Originals, sondern einen völlig eigenständigen Text dazu.
Eigene Lieder im Mittelpunkt
Den Praxistest absolviert das Lied, wie viele andere auch, auf dem Kirchentag – bei den Bibelarbeiten der Theologinnen Dorothee Sölle und Luise Schottroff, mit denen die Band über Jahre fest verbunden ist.
Covert die Band zu Beginn noch fremde Titel, so rücken recht schnell die selbst geschriebenen Lieder in den Mittelpunkt. Durch das Vorbild Piet Janssen wird Eugen Eckert zu eigenen Texten animiert. Mit der Arbeit für Habakuk als "roten Faden" entwickelt er sich zu einem der produktivsten Texter des Neuen geistlichen Liedes. Mehr als 2.000 Liedtexte sind bis heute aus seiner Feder geflossen. Den Feinschliff holt er sich beim Besuch von Textwerkstätten mit Friedrich Karl Barth – einem weiteren Doyen des Neuen geistlichen Liedes. "Barth war ein strenger Kritiker, aber die Arbeit mit ihm war auch sehr gewinnbringend."
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In der Ursprungsbesetzung spielt "Habakuk" zehn Jahre zusammen. Dann gibt es einen größeren Umbruch. Jürgen Kandziora verlässt die Band, hinzu kommen zwei studierte Musiker: der Pianist Torsten Hampel und Alejandro Veciana, Gitarrist mit spanischen Wurzeln, der bekannte Titel wie "Atem des Lebens" oder "Eingeladen zum Fest des Glaubens" für die Gruppe komponiert.
Melodien und ausgefeilte Arrangements
Zusammen mit einem weiteren Neuzugang am Schlagzeug bewirken sie einen Professionalisierungsschub. "Wir erreichten ein anderes Niveau", so Eckert. "Ein Sprung, mit dem ich nicht gerechnet hätte." Die Entwicklung setzt sich fort. In den 90er und 2000er-Jahren kommen der Schlagzeuger Christoph Maurer, der Keyboarder Andreas Neuwirth, der Gitarrist Jan Koslowski, der Saxophonist Raphael Wolf, der Bassist Klaus Bussalb sowie die Sängerinnen Laura Doernbach und Doro Rosenzweig. Fast alle haben Musik studiert und spielen auch in anderen Stilen und Formationen.
Heute hat die Gruppe acht feste Mitglieder. Zu den Aufnahmen kommen häufig noch Streicher und Bläser als Gäste hinzu. Neuwirth und Koslowski sind die Hauptkomponisten und Arrangeure. Eingängige Melodien, die gut ins Ohr gehen, sind ein Markenzeichen von Habakuk. Neben den Liedern zum Mitsingen gibt es die anspruchsvolleren Vortragslieder. Hier zeigen sich stilistische Entwicklungen deutlicher – hin zu ausgefeilten, klangvollen Arrangements und einer mehr nach vorne drängenden, präsenten Ansprache. Das Lied "Inmitten von Krisen", mit dem Motto des Kirchentags "Seid mutig, stark und beherzt", ist dafür ein gutes Beispiel.
Botschaft der Befreiung
Inhaltlich behandeln die Lieder Fragen des Glaubens, häufig mit biblischen Anknüpfungspunkten. Aber auch Themen des alltäglichen Lebens werden aufgegriffen, mit einem oft humorvollen, lebensfreudigen Blick. In ihren Stücken wolle die Band auch "das Leben feiern" - im Kontrast zur erwähnten Jammertal-Thematik. Beeinflusst von feministischer Theologie, bemüht sich Eckert in seinen Texten um eine inklusive, nicht patriarchale Sprache. Im Kontrast zu vielen alten Liedtexten, die vom Herrn sprechen, wird etwa im Lied "Atem des Lebens" Gott anders charakterisiert: als "Hoffnung der Armen", "Quelle der Schöpfung" oder "Stimme der Stummen".
Der alttestamentliche Prophet Habakuk, der der Band den Namen gab, entwickelt auf nur wenigen Seiten eine Sozialkritik und die Utopie eines guten Lebens in Gemeinschaft. Die Botschaft der Befreiung des Menschen aus Zwängen und eingefahrenen Strukturen charakterisiert auch viele der Liedtexte. "Über Heillosigkeit klagen und Fantasien für Heilsames entwickeln" – diesem Ansatz des Propheten fühle die Band sich in ihrer Arbeit verbunden, so Eckert.
Neue Formate
In 50 Jahren gemeinsamen Musikmachens ist es Habakuk gelungen, dran zu bleiben am Publikum, nicht zu veralten und so etwas wie Zeitlosigkeit, den Status eines Klassikers zu erreichen. Die Lieder sind nach wie vor gefragt, bei Menschen ganz unterschiedlichen Alters. "In unseren Konzerten sitzen inzwischen mehrere Generationen besammen", sagt Eckert.
Um den Markenkern herum gab und gibt es immer auch Veränderungen. So wird die Band künftig keine CD's mehr produzieren. "Das rechnet sich schon längst nicht mehr." Zusammen mit dem Strube-Verlag testet Habakuk deshalb ein neues Format. Neue Lieder sollen künftig in Heftform erscheinen, verbunden mit QR-Codes, die zu den Aufnahmen auf Streamingplattformen führen. Ans Aufhören denken Eckert und seine Mitstreiter:innen jedenfalls nicht. "Solange wir kreativ sind, geht es auch weiter."
Mit einem Konzert am 7. September um 17 Uhr in der Markuskirche Offenbach (Obere Grenzstraße 90) feiert die Band offiziell Geburtstag. Zum Jubiläumsjahr wird auch ein Buch erscheinen. Weitere Termine und Aktivitäten sind auf der Homepage von Habakuk zu finden. Die Band ist auch auf den Plattformen Youtube und Spotify präsent.