Sarah Schindler ist Pfarrerin in Stuttgart-Zuffenhausen, aber auch online unterwegs: Auf Instagram heißt sie "Sarahs_glanzundgloria" und wendet sich als Social-Media-Pfarrerin an ihre virtuelle Gemeinde: In einem Reel, das über 6.200 Herzchen und 1,3 Millionen Aufrufe erhalten hat, ist zu sehen, wie sie mit ihrem Kollegen im Talar auf dem Fahrrad fährt, abspringt und dann auf dem Fahrradweg tanzt. Untertitel: "Wenn das Leben dich herausfordert, du aber weißt, dass Gott an deiner Seite ist."
In einem anderen Kurzvideo steht sie mit dem Social-Media-Pfarrer Nicolai Opifanti bis zu den Fußknöcheln im Wasser eines Baches und beide wünschen in Talar-Montur eine erfrischende Urlaubszeit und sprechen einen Segen in die Kamera. Oder sie springt im Talar Trampolin. Solche Aktionen sollen zeigen: "Glaube und Kirche ist nichts Altes, Verstaubtes, sondern man kann auch als moderner Mensch Kirche und Glaube leben und mit ganz viel Lebenslust und Lebensfreude ausfüllen und verbinden", erklärt Sarah Schindler.
Doch im April vergangenen Jahres hat das Leben auch sie herausgefordert. Für die 37-Jährige veränderte sich alles: Sie bekam die Diagnose Lymphdrüsenkrebs. "Natürlich war das erst mal ein Schock. Man will es nicht wahrhaben, man ist auch teilweise verzweifelt und hat Angst. Und man stellt sich auch die Frage, warum und wozu das Ganze?" Für Sarah Schindler war klar: Sie will ihre Krankheit nicht geheim halten. Offen teilt sie ihre Krankheitsgeschichte. Auf Instagram zeigt sie ihre "nicht ganz freiwillige Typveränderung" von schulterlangen, lockigen Haaren zum Kurzhaarschnitt, den sie sich vor der Chemotherapie zugelegt hat ( "Bevor sie bald ganz weg sind ...").
Sie erhält durchweg positive Reaktionen: Viel Anteilnahme und Menschen, die sich ihr mitteilen und von ähnlichen Situationen erzählen. "Nach den Chemotherapien ging es mir in den ersten Tagen ziemlich schlecht. Da gab es auch sehr dunkle und bittere Stunden mit vielen Tränen und Verzweiflung." Und trotzdem habe sie die Erfahrung gemacht, "dass mich mein Glaube an Gott auch in dieser Situation gestärkt und getragen hat, gemeinsam mit all den Menschen, die mit mir zusammen geglaubt, gehofft und gebetet haben." Die langwierige Chemotherapie war erfolgreich, seit Frühjahr startet die Theologin Schritt für Schritt wieder in ihren Beruf.
Man sieht sie auf Instagram, wie sie auf einem sich drehenden Bürostuhl sitzt und dabei Müsli löffelt. Überschrift: "New Chapter, new Beginnings", neues Kapitel, neue Anfänge. Nach überstandener Krebserkrankung habe sie nun ein völlig anderes Lebensgefühl, sagt Sarah Schindler: "Es ist schon so, dass sich manches wirklich relativiert, und man es jetzt gelassener hinnimmt, worüber man sich vielleicht noch vor einem Jahr viel mehr aufgeregt hätte." Und sie merkt, wie sie neue Prioritäten setzt: "Beziehungen, aber auch Sport und Ernährung sind bei mir jetzt wieder mehr in den Fokus gerückt und die Frage: Wie und womit verbringe ich meine Zeit?"
Menschen, die wie sie mit einer schweren Krankheit zu kämpfen haben, rät sie: Sich nur auf den Tag konzentrieren, der vor einem liegt. Und inmitten aller Schmerzen und aller Verzweiflung auch schauen: "Was gibt es Schönes und Gutes, das mich durch die schwere Zeit trägt?" Wichtig sei, die Momente auszukosten, die man mit seinen lieben Menschen hat, sagt die Pfarrerin. "Und mir hat es auch geholfen, mich mit Schönheit zu umgeben: Ob das ein schöner Text ist, Blumen oder eine schöne, weiche Jacke." Und dann zu schauen: "Was tut mir an diesem einen Tag heute gut."