Das ehemalige Arbeitszimmer des "Vogelpastors" Christian Ludwig Brehm (1787-1864) hat aktuell alles von seinem einstigen Charme verloren. An den Rändern der zusammengeschobenen Besprechungstische blättert das Furnier an den Platten. Die senfgelbe Farbe der Wände ist durchsetzt von Dübellöchern längst abgehängter Bilder. Ein Wlan-Router hängt schief an der Wand. Nichts weist darauf hin, dass in dem Eckzimmer im Erdgeschoss des barocken Pfarrhauses einer der bedeutendsten Ornithologen seiner Zeit lebte und wirkte.
Jochen Süss, Vorsitzender der 2017 gegründeten Brehm-Stiftung mit Sitz in Renthendorf im Saale-Holzland-Kreis, lässt sich von dem offensichtlichen Sanierungsbedarf der Immobilie nicht abschrecken. "Wir haben die einmalige Chance, dieses Haus für die Stiftung zu erwerben", sagt der emeritierte Hochschullehrer: "Aktuell feilen wir mit der Kirchgemeinde an den letzten offenen Fragen des Kaufvertrags." Ein niedriger fünfstelliger Kaufpreis stehe im Raum.
Die Chancen auf einen baldigen Notartermin stehen gut. Denn auch die Kirchgemeinde wolle verhindern, dass das barocke Fachwerkhaus an einen privaten Erwerber falle, sagt der Superintendent des Kirchenkreises Eisenberg, Arnd Kuschmierz: "Das benachbarte Museum 'Brehms Welt - Tiere und Menschen' und das Pfarrhaus dürfen nicht auseinandergerissen werden." Nicht nur ihm käme es komisch vor, wenn zwischen dem Museum, dem Pfarrhaus und der Kirche mit den Brehm'schen Familiengrabstätten ein Zaun und ein Swimmingpool im ehemaligen Pfarrgarten errichtet würden. Dafür ist die evangelische Kirche der notorisch klammen Stiftung weit entgegengekommen. Die Hälfte des Kaufpreises übernimmt die Landeskirche.
Pfarrer und Naturforscher
Das Pfarrhaus war von 1813 bis 1864 Amts- und Wohnsitz von Christian Ludwig Brehm. Der Vater des Zoologen, Schriftstellers und "Tiervaters" Alfred Brehm ("Brehms Tierleben") war nicht nur Pfarrer, sondern selbst auch ein bedeutender Naturforscher und Ornithologe. Für Sohn Alfred (1829-1884) und seine Geschwister war das Pfarrhaus ein Ort der Kindheit und naturwissenschaftlicher und literarischer Bildung.
Die Brehm-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, das geistige und materielle Erbe der beiden Naturforscher langfristig in dem thüringischen Ort zu bewahren. Mit der Eröffnung der neuen Dauerausstellung im benachbarten Museum im Sommer 2020 war ein erster Schritt getan. "Christian Ludwig Brehm war aus heutiger Sicht einer der bedeutendsten Pfarrer Mitteldeutschlands", sagt Stiftungsvorstand Süss. Auch das wolle die Stiftung nach erfolgter Sanierung in dem Pfarrhaus zeigen. Seit 2012 ist die Museumsverwaltung Mieter in dem Gebäude.
"Wir wollen das Arbeitszimmer wieder in die Zeit zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurücksetzen sowie einen Ausstellungsbereich schaffen", sagt Süss. Geplant sei zudem eine Wohnung für Gäste und Forscher sowie ein Archiv für ornithologische Nachlässe. Viele Angehörige könnten mit solchen Nachlässen oft wenig anfangen, sagt der Biologe. Deshalb wolle sich die Stiftung darum kümmern.
Auf etwa eine Million Euro wird die Sanierung geschätzt. Und damit beginnt nach der Unterzeichnung des Notarvertrags in diesem Herbst wohl der schwierigste Teil des Vorhabens. Die Stiftung muss nahezu die gesamte Summe in Form von Spenden und Fördermitteln einwerben. Aber es gibt auch da bereits hoffnungsvolle Zeichen. "Es lohnt sich", sagt Süss und hofft auf sein Netzwerk, das gemeinsam mit dem Freistaat schon die Sanierung und Erweiterung des Museums großzügig unterstützt hat.
Rund 6,5 Millionen Euro sind bereits in das Projekt geflossen, das voraussichtlich im März 2026 als Gesamtmuseum feierlich eröffnet wird. "Entstanden ist ein Ort, an dem naturkundliche Bildung authentisch vermittelt wird", sagt Süss. Aber vollkommen sei der Ort erst im Ensemble, im Zusammenspiel zwischen Kirche, Pfarrwitwenhaus, dem modernen gläsernen Anbau und eben dem Pfarrhaus.