Ein schlanker, agiler Mann begrüßt seine Gäste auf der Loggia vor der Petruskirche in Kattenhorn (Kreis Konstanz). Als Ulrich Brates stellt er sich vor, Theologe. Lange war er Schulpfarrer im Internat Gaienhofen, zwei Klassen unterrichtet er noch immer. An diesem Tag wird er die Besonderheiten der Petruskirche erläutern, wie seit zehn Jahren regelmäßig an etlichen Samstagen im Sommerhalbjahr.
Erbaut wurde die Kirche 1959 für die erste evangelische Gemeinde auf der katholischen Halbinsel Höri. Vor allem Flüchtlinge und Vertriebene hatten hier eine neue Heimat gefunden und brauchten einen Raum für den Gottesdienst. In der Nachbarschaft lebte der Maler Otto Dix, selbst vertrieben aus Amt und Würden und der geliebten Großstadt. Als einen der Ersten schassten ihn die Nazis 1933 aus seinem Professorenamt in Dresden. Sein Atelier in der Akademie hatte er umgehend zu räumen.
Dix zog sich mit Familie an den Bodensee zurück, zunächst nach Randegg, 1936 nach Hemmenhofen. Dort hatte seine Frau Martha mit einer Erbschaft die geräumige Familienvilla samt neuem Atelier erbauen lassen. Seit 2013 ist sie Museum Haus Dix, einzige Außenstelle des Kunstmuseums Stuttgart. Eine Sonderausstellung zeigt den Behördenakt und die Landschaftsbilder aus den Zeiten der Repression.
Ulrich Brates berichtet im heimeligen Schutz der Petruskirche über das Leben von Otto Dix. Der Maler, dessen Kunst als entartet gebrandmarkt worden war, wurde dennoch zum Ende des 2. Weltkriegs eingezogen und geriet im Elsass in Kriegsgefangenschaft. Eine Woche lang hatte er die Gelegenheit, den Isenheimer Altar im Colmarer Unterlindenmuseum zu studieren.
Dix malte nach dem Krieg weiter gegenständlich, während die abstrakte Kunst in Mode war. "Heute wird an mir vorbeigegangen, ich gelte höchstens noch als Denkmal", soll er verbittert festgestellt haben.
Pfarrer Hansjörg Sick, Pfarrer der ersten evangelischen Gemeinde auf der Höri, nahm den berühmten Nachbarn jedoch sehr wohl wahr. Als die Petruskirche 1958 gebaut werden sollte, kümmerte er sich darum, dass Dix einen Entwurf für den Wettbewerb um die Fenster einreichte. Er holte ihn sogar persönlich ab. Seinen Pfarrgemeinderat, zugleich die Jury, hat er zuvor mit Kunstbänden zu bilden gesucht.
"Die pädagogischen Bemühungen des Pfarrers hatten Erfolg", freut sich sein späterer Kollege Brates noch heute, "der Entwurf von Dix wurde ausgewählt." Die Besucher der Petruskirche freuen sich mit. Denn zu fantastisch sind die Bilder, die Otto Dix für die kleine Kirche geschaffen hat.
Dix war nicht gläubig, aber er liebte Geschichten der Bibel
Auf der Seitenwand wird die Verleugnung des Petrus dargestellt. Man sieht nicht nur den verzweifelten Petrus, sondern auch den Hahn krähen, die Linien zeichnen den lauten Schrei. Eine Parabel führt hinüber zum nächsten Bild, zum Verzeihen durch Jesus, der ihn wieder nach oben zieht, hinauf zu sich, hinauf auf die gleiche Höhe.
"Dix war kein gläubiger Mensch, aber er liebte die Geschichten der Bibel", sagt Brates. Und leitet hinüber zum letzten der drei Bilder, dem Altarbild. "Jesus ist hier der Fischer", erklärt er. "Ich will euch zu Menschenfischern machen", heißt es in der Bibel. Das Netz des Fischers geht über den Taufstein in die Gemeinde hinein.
Der Fisch war das eigentliche Symbol der Christen, und wenn man den Kopf neigt, sieht man ihn ein zweites Mal, in der Form des Fischers mit seinem Netz. Selbst wer die Bilder kennt, sieht sie nun nochmals neu. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieses Kleinod zukünftig bedroht sein könnte. Seit Ende 2024 ist klar, dass die Evangelische Landeskirche in Baden die Kirche bei Sanierungen und größeren Renovierungen nicht mehr unterstützen kann.
Das jüngste Kapitel erläutert Pfarrer Roland Klaus, amtierender Pfarrer auf der Höri. Tatsächlich wurden alle Kirchen und Gemeindehäuser des Kooperationsraumes "Region Mitte" des Kirchenbezirks Konstanz, zu dem die Kirchengemeinden Radolfzell, Böhringen und die Höri gehören, mit einem Ampelschema eingestuft. "Grün bedeutet, es geht weiter. Gelb heißt, es ist noch nicht sicher, ob wir mit finanziellen Zuwendungen der Landeskirche rechnen können. Und rot: Diese kirchlichen Gebäude werden künftig nicht mehr von der Landeskirche finanziert." Die Petruskirche wurde in Abstimmung mit den anderen Gemeinden auf Rot gesetzt.
Doch in ihrem Fall zeigt sich Pfarrer Klaus vorsichtig optimistisch: "Wir denken, wir schaffen das aus eigenen Mitteln." Ein Freundeskreis wurde aufgestellt, dessen aktuell 30 Mitglieder jährlich festgelegte Summen überweisen. Weitere Spenden sind willkommen, ebenso praktische Hilfe, zum Beispiel bei der Gartenpflege. So kann man in der kleinen Kirche nicht nur eine Broschüre zu den Glasfenstern von Otto Dix erwerben, sondern auch einen Flyer für die Unterstützung mitnehmen. Die wird weiter dringend gesucht.
Info: Am 26. Juli, 23. August und 6. September um 15 Uhr finden weitere Kirchenführungen von Pfarrer Ulrich Brates statt. Der Eintritt ist frei.
Orte: Die Petruskirche Kattenhorn liegt direkt an der L102 zwischen Wangen und Öhningen. Sie kann auch ohne Führung besichtigt werden.