Eine Koalitionsvereinbarung zum Thema Schwangerschaftsabbruch sorgt für Streit zwischen Union und SPD. Die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge folgert aus der Formulierung im Koalitionsvertrag, dass der Strafrechtsparagraf 218 geändert werden muss. Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker sieht das ganz anders. Vom Deutschen Frauenrat und vom Deutschen Juristinnenbund kommt die Forderung, sich ernsthaft um die Versorgung ungewollt Schwangerer zu kümmern.
Im Koalitionsvertrag heißt es zu Schwangerschaftsabbrüchen: "Für Frauen in Konfliktsituationen wollen wir den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus." Bisher zahlen die Kassen den mehrere hundert Euro teuren Eingriff nur bei medizinischer Indikation oder nach einer Vergewaltigung. Außerdem gibt es Möglichkeiten der Kostenübernahme für Frauen mit besonders geringem Einkommen.
Die Sozialdemokratin Wegge sagte der "Welt" (Online Montag), sie verstehe den Koalitionsvertrag so, dass Abtreibung eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse werden solle. "Dafür wäre es tatsächlich erforderlich, den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zu legalisieren, weil rechtswidrige Eingriffe nicht über die Krankenkassen finanziert werden können."
Dagegen sagte die CDU-Abgeordnete Winkelmeier-Becker dem "Focus", in der Koalition sei vereinbart worden, den Strafrechtsparagrafen 218 unverändert zu lassen und das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen. "Nichts anderes kann in die Abrede hineininterpretiert werden, die Kostenübernahme zu verbessern, die in vielen Fällen als Sozialleistung aus Steuermitteln beantragt werden kann."
Keine fachgerechte Unterweisung
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulle Schauws, reagierte ungeduldig. "Seit Jahren sehen wir dabei zu, wie sich die Situation für Frauen, die ungewollt schwanger sind, immer weiter verschlechtert", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Kern des Problems" sei der Paragraf 218. Durch diese Regelung würden Schwangerschaftsabbrüche nicht fachgerecht im Medizinstudium unterrichtet und die Krankenkassen trügen nicht die Kosten. "Viele Hürden liegen für ungewollt Schwangere im Weg, die sich mit einer Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Weg räumen ließen", sagte Schauws.
Auch der Deutsche Frauenrat sprach sich für die Entkriminalisierung aus. Der Verband begrüße es, "dass die Bundesregierung eine sichere und wohnortnahe Versorgung ungewollt Schwangerer sicherstellen und die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen ermöglichen möchte", sagte die Vorsitzende Beate von Miquel dem epd. "Wir sprechen uns für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts aus, weil die Versorgung ungewollt Schwangerer sich verschlechtert hat und sich die Lage zunehmend verschärfen wird." Damit Krankenkassen die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs übernehmen können, "muss diese Gesundheitsleistung rechtmäßig sein", fügte von Miquel hinzu.
Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe zum Schwangerschaftsabbruch beim Deutschen Juristinnenbund, Céline Feldmann, sagte dem epd, eine Konstruktion wie beim Paragrafen 218 sei "einmalig im Strafrecht". Da Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungslösung straffrei, aber immer noch rechtswidrig sind, "wird der Abbruch als Unrecht markiert. Das bedeutet eine Stigmatisierung, sowohl für schwangere Personen als auch für Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen." Wäre der Abbruch nicht mehr rechtswidrig, würde diese Stigmatisierung reduziert - das könne "letztlich auch die Versorgungslage verbessern, weil es die Hürden senkt, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen", sagte Feldmann.