Chatbots für die Seelsorge?

Frau mit Smartphone in der Hand
chinnarach/stock.adobe
Noch fehlt Anrufern der Mensch als Gesprächspartner, vor allem in der Seelsorge.
Erste Tests mit KI
Chatbots für die Seelsorge?
Sprachbasierte Künstliche Intelligenz macht es möglich: Menschen sprechen über persönliche Probleme auch mit Chatbots. Über einen theoretisch möglichen Einsatz bei der Telefonseelsorge gibt es gegensätzliche Meinungen.

Der Ansatz klingt zunächst verlockend: Könnten KI-Gefährten wie Chatbots oder Avatare mit einsamen Menschen sprechen? Schließlich suchten Menschen zunehmend Gesprächspartner in der digitalen Welt, erklärt der Politikwissenschaftler Lukas Spahlinger. Beim Anbieter Replika seien mehr als zehn Millionen Menschen angemeldet. Die Firma bietet einen KI-Gefährten. Die Gespräche bis hin zu einer emotionalen und intimen Ebene zwischen Mensch und Maschine sind jedoch umstritten.

Umstritten ist auch, ob Künstliche Intelligenz in der Telefonseelsorge helfen könnte. Das Zentrum Seelsorge und Beratung der EKHN in Darmstadt hat zusammen mit dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung (ZGV) der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Mainz, wo Spahlinger arbeitet, erste Tests unternommen.

Die Telefonseelsorge hat nach den Worten von Raimar Kremer das Problem, dass sie jeden Tag Anrufe von Mehrfach- und Daueranrufern bekommt, die die Kapazitäten binden. Der Fachberater und Leiter des Zentrums Seelsorge und Beratung schildert die Konsequenzen: Andere Anrufer hätten es mitunter schwer, zur Telefonseelsorge durchzukommen. Daueranrufer würden manchmal für 24 Stunden gesperrt, um die Leitungen für Notfälle freizubekommen. Stattdessen könne vielleicht für diese Anrufer die KI ein Hilfsmittel sein. Momentan hätten die Chatbots noch nicht überzeugt, und auch der Datenschutz sei bisher nicht gesichert. Es müsse weitere Tests geben.

Lukas Spahlinger testet ChatGPT gegen Einsamkeit: "Mir geht's heute nicht so gut. Ich fühle mich einsam und ich weiß nicht so recht, was ich machen soll", sagt er dem System. Der Chatbot gibt in einer natürlichen männlichen Stimme praktische Tipps: Tausche dich mit jemandem aus, mache einen Spaziergang, schaue oder höre dir "was Schönes an". Die Testperson lässt nicht locker: "Ich fühle mich gerade einfach nur leer. Alles, was du sagst, hilft mir jetzt nicht weiter." Nun flüchtet die Maschine sich in Floskeln: "Ich verstehe, das sind wirklich keine einfachen Gefühle. Manchmal hilft es auch einfach, sie anzuerkennen und sich selbst ein bisschen Zeit zu geben." Und schließlich heuchelt der Chatbot Zweisamkeit: "Wenn du magst, können wir einfach noch ein bisschen zusammen hierbleiben."

Das Gespräch gehe nicht in die Tiefe, befindet Spahlinger. Die KI-Systeme basierten auf statistischen Modellen, sie könnten keine Empathie empfinden und ahmten Mitgefühl nur nach. Die KI stelle nichts in Frage, sondern bestätige den Gesprächspartner. Dennoch findet der Experte, Chatbots könnten manchen Menschen bei Einsamkeit kurzzeitig helfen, auch in bestimmten Fällen bei Beratungsstellen. Allerdings müssten vorher deren Fachleute prüfen, wie das System sich in bestimmten Situationen verhält. Sie müssten Rahmenbedingungen und ethische Leitlinien festlegen. Zudem müsse die digitale Infrastruktur abgeschirmt und der Datenschutz gewährleistet sein. Sollte KI eingesetzt werden, müssten Nutzerinnen und Nutzer darüber transparent informiert werden. Unbestritten bleibe, dass ein Chatbot nicht ein Gespräch mit einem Menschen ersetzen könne.

Mona Debus, hauptamtliche Mitarbeiterin der ökumenischen Telefonseelsorge Gießen-Wetzlar, lehnt den Einsatz von KI in der Telefonseelsorge entschieden ab. "Den Anrufern fehlt der Mensch!", sagt sie. "Dann eine Maschine einzuschalten, wäre absurd. Bei der Telefonseelsorge begegnen Menschen Menschen." Die Telefonseelsorge habe die Erfahrung gemacht, dass sogar Chatbots an sie verweisen, wenn ein schwerwiegendes psychisches Problem oder eine Neigung zum Suizid genannt wird. "Wenn ein Chatbot am Ende ist, verweist er an die Telefonseelsorge."

Das Problem einer Überlastung von Telefonseelsorge-Stellen könne auch deshalb nicht durch KI gemindert werden, weil jeder Mensch das gleiche Recht habe, dort anzurufen. "Alle Menschen, die hier anrufen, brauchen uns", betont Debus. "Wenn Menschen uns mehrfach brauchen, brauchen sie es. Die Telefonseelsorge ist für alle da." Wer die Telefonseelsorge stärken wolle, müsse in letzter Konsequenz die Trägerkirchen stärken.